Zwischen zwei Fenstern von Dianne Touchell

Januar 06, 2016


























Titel: "Zwischen zwei Fenstern" | Original: "Creepy & Maud" | Autor/in: Dianne Touchell | Carlsen / Königskinder [klick] | Seitenanzahl: 254 | Hardcover | Einzelband |  ★★★ 4  von 5 Sternen


INHALT | DARUM GEHTS

Original-Klappentext: "Er liebt das Nachbarmädchen mit dem tizianroten Haar und dem Leberfleck am Bein. Er sieht hinüber in ihr Zimmer, wo sie sitzt und zeichnet. Sie hat die verstörende Gewohnheit, sich die Haare auszureißen.
Sie beobachtet den Nachbarjungen, der sich beim Lesen unaufhörlich Notizen macht. Hinter dem Glas seines Fensters scheint er sich am sichersten zu fühlen. Genau wie sie.
Wie zwei Gefangene hängen sie für den anderen Botschaften ins Fenster. Am liebsten in fünf Silben, weil das schön klingt. Als sie irgendwann lächelt, ist das für ihn, als würde in einem verlassenen Haus das Licht wieder angehen. Und beide wissen: Sie werden es besser machen."

MEINE MEINUNG | FAZIT

"Ich habe früh gelernt, dass man aufpassen muss, was man sagt. Und was man schreibt. Sprache hat wenig Romantisches. Niemand kommuniziert wirklich über Sprache. Und ich dachte mir, wenn mir in meiner Muttersprache schon niemand zuhört, können sie mich genauso gut auf Französisch ignorieren." S. 158

Kann man eine Geschichte erzählen, die eine gefühlvolle Verbindung zwischen zwei Menschen erzählt, ohne dass sie sich wirklich kennen, geschweige denn, dass sie eine längere Konversation führen? Ja, man kann. Genau das hat Dianne Touchell geschafft. Zugegeben, der Anfang war für mich noch etwas zu gewollt. Aber mit jeder dazukommenden Seite nimmt einen die Geschichte immer mehr in Besitz. Die ersten Kapitel werden in einer witzigen Erzählweise eingeleitet und stellen gleichzeitig einen der Hauptcharaktere vor; "Creepy". Seinen wahren Namen erfährt man als Leser nicht. Seine Kapitel werden zudem immer durch ein Buchzitat angeführt. Dies ist sicherlich nichts Neues, jedoch habe ich selten erlebt, dass die gewählten Zitate so gut auf das darauffolgende Kapitel abgestimmt sind. Die Kapitel des anderen Hauptcharakters "Maud", dessen wahren Namen wir ebenfalls nie erfahren, werden mit einem fünfsilbigen Satz begonnen. Hier hat mir vorallem der Kontrast der Wichtigkeit der Wörter gefallen, welcher entsteht. "Creepy" liebt die Literatur und Bücher. "Maud" würde sie gerne lieben, ist aber meist nur im Stande fünfsilbige Sätze oder Aussagen wirklich zu genießen. Schon hier merkt man, dass vorallem Maud mit inneren Konflikten zu kämpfen hat. Ihr Charakter ist ein sehr komplexer. Es gibt Stellen, an denen man eine deutliche Wandlung der Persönlichkeit beziehungsweise der Handlungsart erkennen kann. Daraus entstanden für mich, besonders ab der Mitte, einige schon fast surreale Passagen. Von dem Gesamtkonzept ausgehend, hat sich dieser Wandel gut ergänzt und man kann es auch nachvollziehen. Allerdings habe ich mich an manchen Stellen gefragt, ob das Buch wirklich immer für Jugendliche geeignet ist. Abgesehen von der Tatsache, dass das Buch eine Geschichte zweiter Teenager erzählt, wird oft eine sehr poetische Sprache angewandt, bei der ich mir vorstellen könnte, dass sie nicht allen Jugendlichen zusagt. Ich jedoch fand die Geschichte dadurch sehr Einzigartig und als Idee sehr ausgereift.

"Was machst du, wenn du nicht mehr denken darfst? Denk in Codes. Denk in Codas. Denk nicht." S. 45

Die Geschichte bietet zwar einen in sich stimmigen Handlungsstrang, er offenbart aber nicht Alles. Vorallem ist das Ende relativ offen und man kann nur erahnen, wie sich "Mauds" krankheitliche Situation weiterentwickeln wird. Zudem hatte ich oft das Gefühl, dass die einzelnen Kapitel, vorallem auch durch die Perspektivwechsel, fast wie Gefühlsimpulse, wie Momentaufnahmen wirken. Dadurch nimmt die Geschichte erneut eine poetische Form an. So kam es auch das ein oder andere Mal vor, dass mir eine Stelle sehr treffend erschien. Sie ist sehr fokussiert, spricht aber eine "gebündelte Wahrheit" einer Situation aus. Sehr viele alltägliche Verhaltensweisen der Menschen und auch ihre Gefühlsausbrüche, wie auch Gefühlsausflüchte werden auf eine direkte, aber auch oftmals witzige Art und Weise vermittelt. Zudem gibt es aber eben auch Passagen, die das genaue Gegenteil wiederspiegeln und man versucht die beinahe verrückten Ansichten der Protagonisten nachzuempfinden. Dabei wären wir auch bei einem Punkt, den ich nicht richtig einordnen kann. Denn einige Verhaltensweisen an "Creepy" fand ich wirklich seltsam. Er ist nicht der typische "Held", der das Mädchen von Gegenüber erobern möchte. Er fordert sie an manchen stellen sehnsuchtsvoll sogar dazu auf, dass sie ihre Krankheit auslebt. Ich fand es zunächst sehr fragwürdig, die Entwicklung der Beziehung in solch eine Weise zu lenken. Rein textintern denke ich aber, dass diese Verhaltensweise dennoch gut zum Rest des Buches passt. Man sollte dies aber als Leser hinterfragen und sich bewusst machen, dass nicht nur "Maud" mit Problemen zu kämpfen hat.

"Lesen ist bestimmt so, als würde man zusammen mit anderen in seinem Kopf leben. Wie Gesellschaft, die man nach belieben an- und ausschalten kann. Wie echte Freunde vielleicht. " S. 48

Einen Bezug zu den Charakteren kann man, obwohl sie so anders scheinen, sehr gut aufbauen. Man kann ihre Ängste verstehen, möchte ihnen aber eher zur Seite stehen und sie unterstützen. Auch ist der Schreibstil so gut gelungen, dass man sich in beide Protagonisten hineinfühlen kann. Unabhängig davon, ob gerade der männliche Teil oder der weibliche das kapitel leitet. Die Autorin schafft es, dass man vergisst, dass das Buch nicht von ihr geschrieben wurde, sondern man denkt wirklich, dass es jeweils "Mauds" oder "Creepys" Tagebucheinträge sind. Nicht zu vernachlässigen ist ebenfalls die gefühlvolle Ebene, die stark zur Geltung kommt. Es entsteht wirklich eine Beziehung ohne direkte, verbale Kommunikation. Ein passendes Gerüst dazu, bietet die Umstehende Szenerie und deren vorkommende Personen, wie die beiden Familien der Teenager und deren Haustiere.
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Greift eine ernste Krankheit auf, die ebenfalls erschreckende Szenen beinhaltet. Vermittelt aber Aufklärungspotenzial. Eine sehr gefühlvolle Geschichte, die oft eine poetische Ader annimmt. Zwischendurch unfassbar witzige Stellen und auch Stellen, die nur so vor Wahrheit, in Bezug auf die menschliche Verhaltensweise, strotzen.

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