(Original: "-" / 1857) Penguin Drop Caps, Übersetzer/in: Lydia Davis , 413 Seiten, gebunden, Englische Ausgabe ★★★★☆ 4 Sterne
Dt. Inhaltsangabe (Anaconda Verlag): "Die junge, ein wenig verträumte Emma Rouault heiratet den biederen Landarzt Charles Bovary in der Hoffnung auf ein beschauliches Leben. Schon bald aber nimmt ihr die erdrückende Enge dieser Ehe die Luft zum Atmen. Erst flüchtet sie sich in die berauschende Scheinwelt der Literatur, dann gibt sie den Verheißungen nach, findet aber auch in ihren Abenteuern mit wechselnden Liebhabern nicht, was sie sucht. Ihr Leben gerät aus der Bahn. Der Roman führte nach seinem Erscheinen 1856 zum Skandal. Mitreißend und brisant ist er bis heute geblieben."
"And Emma tried to find out just what was meant, in life, by the words bliss, passion, and intoxication which had seemed so beautiful to her in books.“ S.40
"Bedauern" und "Mitleid" sind wohl die Schlagworte, die mich bei diesem Buch wohl am häufigsten und längsten begleitet haben. Die Geschichte rund um Charles und Emma Bovary ist nicht gerade eine, die einen glücklich stimmt. Zudem kann ich durchaus verstehen, dass zur Zeit des Erscheinens, einige Aspekte als skandalös galten.
Emma Bovary ist als Protagonistin schwer einzuordnen. Wirklich sympathisieren kann man nicht mit ihr, weil sie den Leser hinsichtlich seiner Geduld sehr fordert. Gleichzeitig versteht man ihren Leidensweg aber durchaus. Sie ist jung, ihre Zukunft möchte sie als abgesichert ansehen, die Liebe ist ein wichtiger Aspekt, den sie nicht missen möchte, von dem sie aber bisher nur aus Büchern ihr Wissen erahnen konnte. Daher hat es mich als Leserin auch nicht überrascht, dass ihre Figur sehr sprunghaft und sehr "unreif" wirkt. Man muss sich aber an vielen Stellen wirklich zusammenreißen, um nicht immer augenrollend an ihren Eskapaden teilzunehmen. Für mich war dies wirklich das Herausforderndste. Allerdings ist der Verlauf zum Ende hin von Flaubert sehr raffiniert umgesetzt. Denn obwohl man Emma in vielen Teilen nicht nachvollziehen möchte, kann man sich der Tragik zum Schluss nicht entziehen, sodass man sich gezwungen fühlt mit den Figuren zu leiden und sich rekapitulierend noch einmal mit den verschiedenen, manchmal vielleicht auch kleinen Schlüsselmomenten auseinanderzusetzen und die Figuren so hinsichtlich ihrer Gefühle und Handlungen zu hinterfragen.
Jegliche Figuren abseits von Charles und Emma Bovary hatten eine ganz spezielle Funktion, die ich auch notwendig für die Verläufe fand. Allerdings fielen mir einige Passagen zum Schluss hin, besonders einige Dialoge, etwas zu langwierig aus.
"What exasperated her was that Charles seemed unaware of her suffering. His conviction that he was making her happy seemed an idiotic insult, and his certainty of this, ingratitude." S.126
Auffallend wichtig und interessant fand ich in Flauberts Roman auch die gesamte Darstellung der gesellschaftlichen Ansichten. Viele Funktionen der Familienmitglieder werden unter neuen Aspekten besprochen, zum Beispiel spielt auch der fortschrittliche Ansatz Rousseaus in Hinblick auf die Kindererziehung eine leitende Rolle. Und tatsächlich stach für mich diese damals sehr normale Art, die eigenen Kinder kaum zu sehen, sondern sie von "Hausmädchen" aufzuziehen, sehr heraus. Dennoch wird auch hier der Konflikt dessen aufgegriffen und so mit den Protagonisten in eine deutliche innere Zerrissenheit gebracht. So "nervig" mir demnach manchmal die Handlungsweisen von Emma erschienen, so spannend war es zu sehen, wie man sich als Leser ihren Gefühlsweg interpretiert.
Als bloße Handlung ist Madame Bovary daher vielleicht recht plump. Immerhin verrät die Inhaltsangabe beinahe die ganze Misere, in der sich das Ehepaar Bovary befindet. Aber auch hier findet man viele Anzeichen wirklich wichtiger Denkmuster der Gesellschaft und der verschiedenen Rollen, die wir uns Menschen auch selbst aufbürden.
Die Liebe ist in dem Roman natürlich ebenfalls Hauptakteur. In vielen Facetten, Wendungen und Leidensmomenten tritt sie auf. Leidtragender war für mich natürlich immer Charles Bovary selbst, der sich für seine Familie "aufopfert", jedoch scheinbar schon von Anbeginn dazu bestimmt war, kein sorgenfreies Leben zu genießen. Viele seiner Handlungen sind der Grundstein für neue Wendungen, die die Geschichte interessant halten. Zudem empfand ich viele Passagen, die ihn und seinen Mutter oder sein Pech betrafen, beinahe schon als komisch. Das stand für mich zunächst im Widerspruch, aber ich konnte am Ende das Gefühl nicht abschütteln, dass der Roman, an einigen Stellen, von einer absurden Komik begleitet wird.
"From that moment on, her life was no more than a confection of lies in which she wrapped her love, as though in veils, to hide it.“ S.319
Viele Leidenswege und die Suche nach der Liebe, wie auch der eigenen Aufgabe im Leben dominieren den Klassiker. Charles und Emma Bovary stellen wunderbare Gegensätze dar, die den Roman interessant, wenn auch oftmals traurig gestalten. Paradoxerweise gab es für mich viele Stellen, die diese Tragik ins Ironische oder Komische gewendet haben. Dennoch setzt sich der Roman meiner Meinung nach, gekonnt mit vielen gesellschaftlichen Fragen auseinander und dem damit verbundenen Streben nach der Zufriedenheit seiner selbst. Liest sich grundsätzlich mit Interesse und vielen Wendungen, an der einen oder anderen Stelle schien mir aber einiges zu Längen geneigt zu haben. Dennoch für mich ein Roman, der die Facetten des Lebens und Scheiterns wunderbar aufzeigt und letztlich auch sehr bewegt.
Wir haben das Buch damals im Deutsch-LK gelesen und ich habe es sehr geliebt <3
AntwortenLöschenKann ich sehr gut nachvollziehen. Habe es auch sehr gerne gelesen und finde es auch wirklich gut! Aber an der einen oder anderen Stelle hat mich dieses typische Gefühl gepackt, dass ich einige Passagen als zu "lang" empfand, in Hinblick auf das andere Tempo des Buches. Ist aber natürlich sehr subjektiv. :) Glaube aber auch ich hätte das Buch gerne im Unterricht oder auch in der Uni besprochen, weil es da meist wirklich guten Input von anderen gibt etc. :)
LöschenLiebe Grüße
Karin