(Original: "De Offers" / 2014) Übersetzer/in: Hanni Ehlers, 480 Seiten, gebunden, Einzelband, ★★★★(☆) 4 bis 5 Sterne
Bibliografie auf der Verlagsseite (C.Bertelsmann Verlag)»
"Tokio 1946: Eine dramatische Liebesgeschichte vor dem Hintergrund der Kriegsverbrecherprozesse
Der Richter Rem Brink ist vom niederländischen Außenministerium zu den sogenannten Tokioter Prozessen gesandt worden, um mit den Siegermächten die japanischen Kriegsverbrechen aufzuarbeiten. Brink ist sich seiner besonderen Verantwortung bewusst, sucht gleichzeitig aber auch Zerstreuung in einer Liaison mit der jungen Sängerin Michiko. Durch sie lernt er eine ganz andere, faszinierende Seite Japans kennen. Doch als Michiko ihn um einen Gefallen bittet, der seinen politischen und moralischen Grundsätzen widerspricht, wird die Beziehung auf eine harte Probe gestellt…"
MEINE
MEINUNG | FAZIT
"´Schon ein Jahr´ , sagt Michiko und blickt ins Leere. Als der Krieg zu Ende war, schien es, als stehe die Zeit still. Als würden das Land und die Menschen und die Zukunft in einem Strudel hinabgerissen, aus dem kein Entkommen möglich war. Dass das Leben schließlich wieder seinen Lauf genommen hatte, dass aus Tagen Wochen, aus Wochen Monate geworden waren, war vielleicht noch das größte Wunder.“ S.19
Liebesgeschichten drohen ja generell schnell ins kitschige zu schwenken und hinterlassen oftmals einen faden Beigeschmack. Kann man also eine Liebesgeschichte, verstrickt mit den Hintergründen der Situation nach des Zweiten Weltkriegs in Japan schildern ohne das Ganze platt wirken zu lassen? Ja, man kann. Und das beweist für mich Kees van Beijnum mit seinem Roman. Natürlich nimmt die Liebesgeschichte einen großen und auch wichtigen Teil der Erzählung ein, nicht zuletzt durch die beiden Erzählperspektiven von Rem Brink und Michiko, die diese Romanze bilde. Hinzu kommt aber eine dritte Erzählperspektive des Cousins von Michiko, welcher die Auswirkungen und das Denken der Menschen, die direkt in die Kriegsverbrechen involviert waren, reflektiert und zum Ausdruck bringt. So entsteht eine harmonische Erzählung aus gefühlvollem Verlangen und der bitteren Realität der Weltzustände. Dabei werden die Verläufe des Kriegsprozesses gelungen auf die persönlichen Umstände der Protagonisten abgestimmt, sodass man diese rund zwei Jahre, die die Verhandlungen andauern gut mit verfolgen kann. Ich persönlich war sofort von den Schicksalen ergriffen. Die Geschichte drängt sich nicht auf, macht einen zarten Eindruck, was paradox klingt, da viele Grausamkeiten geschildert werden. Aber tatsächlich kam mir immer wieder der passende Buchtitel ins Gedächtnis, denn tatsächlich beschreibt die Geschichte die puren Zerbrechlichkeiten, die die Welt für uns Menschen bereithält. Kämpfe, die angeordnet werden, um gegen andere Nationen anzutreten, wie auch Kämpfe, die jeder für sich selbst austragen muss und die meistens mit Scherben enden.
"´Ich hasse die Menschen für ihre blinde Grausamkeit und ihren Machthunger. Ich hasste mein eigenes Unvermögen, dem etwas entgegenzusetzen. Vielleicht bin ich deshalb Richter geworden. Nur im Gerichtssaal werden die Mörder und die Lügner zur Verantwortung gezogen.´“ S.84
Tatsächlich ist es für mich schwierig, das Buch zu "beschreiben", da es beim Leser einfach gewisse Gefühle auslöst, die man schwer greifen kann. Ich kann nicht sagen, dass ich mit den Protagonisten mit gefiebert habe oder dass es sich für mich nach einer Liebesgeschichte angefühlt hat, weil das Buch etwas Eigenes an sich hat, was eben nur zum Vorschein kommt, wenn man sich der Geschichte annimmt und sich mit ihr treiben lässt. Für mich war es zudem lesenswert zu erfahren, wie Menschen in den verschiedenen Gebieten in Japan gelebt haben und in wieweit Kriminalität, Ängste aber auch das "einfache Leben" das Land im Griff hielten. Was ich in Bezug dazu besonders gelungen finde, sind die Abläufe und die Wege, die die Protagonisten zurücklegen. Ihre Erlebnisse stehen immer in einem direkten oder indirekten Kontakt zueinander, sodass es nicht zu viele Handlungen oder gar von einander losgerissene Schicksale gibt. Durch die Verknüpfungen zwischen Michiko und ihrem Cousin Hideki werden zudem auch die familiären Probleme aufgezeigt, die es zu bewältigen gab und auch die Stellung der Frauen in den kleineren Dörfern Japans. Dadurch wird das Buch vielschichtig und ist nicht nur stur auf die Liebesgeschichte fixiert. Was die Kapitel hinsichtlich der Prozesse an sich anbelangt, habe ich am Anfang gedacht, dass sie etwas stärker thematisiert werden, oder wenigstens detaillierter darlegt werden würden, jedoch bekommt man als Leser sicherlich das Wichtigste dazu mit. So liegt der Fokus stärker auf den persönlichen Schicksalen, die mit den Folgen des Krieges verbunden sind.
"Sie wartet noch kurz, kommt sich vor wie in einem dieser Kinderträume, wo sich eine Fluchtmöglichkeit bietet, weil der Drache gelangweilt oder abgelenkt ist, aber man kann nicht weg, weil man bis zur Mitte im Sumpf steckt." S.430f.
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Sehr packender Roman, der mit einer paradoxen "Zartheit", die Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges und dessen Folgen in Japan aufzeigt. Die Handlung rund um die Kriegsprozesse bildet den Rahmen für mehrere Schicksale, die alle mit ihren persönlichen Sorgen zu kämpfen haben. Nicht nur die Rivalitäten der Japaner untereinander werden deutlich, sondern auch die Rivalitäten, zwischen den Nationen bleiben stets ein Hauptmerkmal. So deckt der Roman viele gesellschaftlich, fragwürdige Traditionen ab und bietet mit der eingebauten Liebesgeschichte eine Darstellung der Bedürfnisse des Menschen.
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