Die vier Jahreszeiten des Sommers von Grégoire Delacourt

Juli 16, 2016







(Original: "Les quatre saisons de l´ete"/ 2015) Atlantik, Übersetzer/in: Claudia Steinitz,  ★★ 5 Sterne
"Ein Sommer am Strand in Nordfrankreich: Sonne, Meer, Dünen und Bars. Hier treffen vier Paare ganz unterschiedlichen Alters aufeinander: zwei Teenager im Rausch der ersten Liebe, eine 35-Jährige auf der Suche nach einem neuen Glück, eine gelangweilte Hausfrau , die sich ins Abenteuer stürzt, und ein altes Ehepaar, das sich noch genauso liebt wie am ersten Tag. All diese Menschen begegnen sich, ohne zu wissen, dass ihre Geschichten eng miteinander verwoben sind und ihre Schicksale sich gegenseitig beeinflussen. Bis es während des Feuerwerks zum französischen Nationalfeiertag zu einem dramatischen Höhepunkt kommt. "


MEINE MEINUNG | FAZIT

"Für uns beide hatte das Sommerpicknick
den Geschmack von Keksen und Zitronenlimonade, manchmal von einem Pégé-Lutscher mit Karamellgeschmack. [...] Die Luft riecht nach Sonnenöl, braunem Tabak, Salz und toten Muscheln.S.143

Mit Sommergeschichten verbindet man bekanntlich eine unterhaltsame Lektüre, die vielleicht kurzweilig sind und einem das Gefühl geben, einen kleinen Urlaub gehabt zu haben. Daher fällt es mir schwer, Grégoir Delacourts Roman als einfache Sommergeschichte zu beschreiben. Denn diese Geschichte ist wirklich so viel mehr. Als Leser steigt man ganz unbefangen in die Geschichte ein. Man weiß, dass es um vier Liebespaare geht, die zum selben Zeitpunkt ihren Urlaub am Strand von La Touquet verbringen. Meine Erwartung war also, dass man eine Zusammenstellung der Erlebnisse in Form von kurzen Kapiteln der jeweiligen Figuren findet. Zum Teil stimmt dies auch, aber jedes Kapitel nimmt wirklich stark Bezug auf die anderen Kapitel, so dass es sich wirklich um ein geschlossenes Ereignis handelt. Mir gefiel zudem die Wahl des Tages. Es ist der 14. Juli 1991 und wie alle Figuren in der Geschichte anmerken, ist es der letzte 14. Juli des Jahrtausends. Dadurch bekommt die Erzählung das Gefühl von einem gewissen Ende, aber auch einem möglichen Neuanfang. Man steht als Leser quasi fortwährend auf der Schwelle und filtert heraus, welche Entwicklungsstadien und was für eine Zukunft die jeweilige Liebe der Figuren hat, von der gerade erzählt wird. Mir gefiel aber ebenso, dass es nicht nur dieser Tag und der Ort ist, der alle verbindet. Das Leben an sich ist der Bezugspunkt. Alle Figuren überschneiden sich in gewissen Zeitpunkten, so ist man als Leser stets mit verschiedenen Perspektiven der Figuren vertraut. Dadurch entstehen sehr oft wahnsinnig gefühlvolle Passagen, bei denen ich das Geschick des Autors bewundert habe, die Leben, auf eine nicht platte, sondern romantisch-poetische Weise verbunden werden.

"Ich versuchte, einen Satz zu finden, den ich in der Sprache der Blumen, der Sprache meines Vaters hätte schreiben können, aber mir fehlten die Worte. Um ihr diese Worte eines Tages zu schenken, wollte ich Schriftsteller werden.S. 38

Das Gefühl, dass die Geschichte eine sehr poetische Komponente hat, kam bei mir vor allem dadurch zustande, dass das Symbol der Blumen und die damit verbundenen Metaphern sehr gut herausgearbeitet und angewandt wurden. So tauchen bestimmte Blumenarten auf, die eine Aussage in Bezug auf die Liebe verkörpern. Diese werden aber nicht zusammenhangslos eingeworfen, sondern werden als ständig wiederkehrendes Bild eingesetzt. Dadurch bekommt die Geschichte noch einmal ein verstärkendes Gefühl der Verbundenheit der Figuren und der Lebenssituationen. Die Kapitel sind außerdem mit bestimmten Arten von Blumen versehen, die jeder Figur zugeschrieben werden. Natürlich gibt es aber auch zusätzliche, ganz gut gewählte Merkmale, die im Buch eine Rolle spielen um eine Verbindung zu schaffen. Während ich dem Ende des Buches, mit jedem Kapitel, nähergekommen bin, wusste ich ganz genau, dass dies ein Buch sein wird, welches ich noch des Öfteren lesen werde. Es ist relativ kurz, spiegelt aber eine wunderschöne sommerliche Atmosphäre wider und hat trotzdem eine komplexere Darstellungsweise, als die üblichen Sommerlektüren. Eigentlich kann ich das Buch gar nicht sonderlich beschreiben, denn die eigentlich rührenden und schönen Botschaften der Geschichte werden dem Leser selbst mit jedem Satz offenbart. Und genau dieses eigenständige (Er)Lesen der Botschaften ist das, was für mich das Buch so besonders gemacht hat. Man erwartet zunächst etwas Leichtes und bekommt dafür eine Geschichte der (harten) Realität gepaart mit zauberhaften Sehnsüchten, die so farbenfroh, wie auch manchmal melancholisch sind und dem Leser dennoch einen unvergesslichen Sommer in Le Touqet, am 14. Juli 1991, dem letzten 14. Juli des Jahrtausends, bescheren.

"Sie glaubte, was ich damals auch gern glauben wollte, dass die Liebe einzigartig ist." S.11

Wundervolle Geschichte, die durch ihre charmante, träumerische Art überzeugt. Tolle Umsetzung der Idee, dass Blumen gewisse Botschaften übermitteln können und dass sie für alle Protagonisten auch etwas Bedeutsames sind. Die Figuren sind zwar recht eigenständig, ihre Geschichten werden aber gekonnt miteinander verwoben. Obwohl der Fokus auf den verschiedenen Liebesbeziehungen der Figuren gesetzt ist, rückt der bedeutsame Sommer in Le Touquet keineswegs in den Hintergrund. Ein Roman, bei dem man sich fühlt, wie der Beobachter, der ebenfalls am Strand Platz genommen hat und die Figuren betrachten kann. Einfach nur schön und jetzt schon eines meiner Lieblingsbücher.



Vielen Dank an den Atlantik Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!

1 Kommentar:

  1. Wie immer wunderschöne Bilder und eine tolle Rezension. Ich bin mir nicht sicher, ob das Buch etwas für mich wäre, aber du schaffst es trotzdem immer wieder, mich neugierig zu machen. :D Übrigens habe ich dich einfach mal getaggt - vielleicht hast du ja Lust, mitzumachen. :) http://lost-in-written-words.blogspot.de/2016/07/tag-fictional-bookish-girl-squad.html

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