Junge Hunde von Cornelia Travnicek

Oktober 12, 2015

Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "Junge Hunde"),| Autor/in: Cornelia Travnicek, DVA, Broschur, Einzelband, ★★★★☆ 4 Sterne
"Kann man erwachsen werden, wenn man nicht weiß, wer man ist?-
Johanna kümmert sich gern um andere – um die Tochter ihrer alleinerziehenden Nachbarin Julia, um den betagten Herrn Glantz und sein Malteserhündchen Gloria und auch um ihren besten Freund Ernst. Doch eines Tages beschließt Ernst, nach China zu reisen, um dort seine leibliche Mutter zu suchen, und Johanna bleibt mit ihrem langsam dement werdenden Vater allein zurück. Als sie beim Ausräumen des elterlichen Hauses eine alte Postkarte ihres Vaters entdeckt, die jahrelange Gewissheiten auf den Kopf stellt, beginnt auch für sie plötzlich eine Suche. Am anderen Ende der Welt muss Ernst erkennen, dass das reale China nichts mit dem märchenhaften Land seiner Kindheitsfantasie zu tun hat und er in seiner vermeintlichen Heimat ein Fremder ist." 
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MEINE MEINUNG | FAZIT

„Kann man sich fühlen, als wäre man nach Hause gekommen, wenn man gar nicht weiß, wo zu Hause ist?“ S. 84

Was dieses Buch wohl am meisten ausmacht, ist die Vielfalt der Themen, aber auch die Fokussierung auf eben ein bestimmtes Thema, nämlich die eigene Dazugehören. Das Dazugehören zu einer bestimmten Familie oder eines bestimmten Platzes im Leben. Demnach ist die Geschichte sehr gefühlvoll. Sie enthält aber auch viele schöne, hurmorvolle Passagen, die durch wunderbare Charaktere zustande kommen, wie die kleine Lili, auf die Johanna des Öfteren aufpasst oder den sympathischen Herrn Glantz, welcher  die Geschichte mit einer unheimlichen Wärme erfüllt. Grundsätzlich, wie das Leben auch ist, werden auch etwas melancholischere und nachdenklichere Züge in diesem Buch dargelegt. Diese beiden Seiten und auch Entwicklungen, die die Protagonisten durchmachen, werden durch die Gegensätzlichkeit und auch der Ähnlichkeit Dieser sehr gut dargestellt.

„Diese Fahrt ist eine leere Handlung, ich glaube nicht mehr an Zweck und Ziel, ich tue, was zu tun ist, ich werde zu Hause dann erzählen, was zu erzählen ist, und alle werden sie verständnisvoll die Köpfe schütteln. Bring es zu Ende, sage ich mir.“ S. 142

Die Hauptstränge des Geschehens bilden die Hauptcharaktere Johanna und Ernst. Beide sind seit Kindestagen beste Freunde. Und genau das spiegelt sich in der Geschichte unheimlich gut wieder. Es werden alte Kindheitserinnerungen und Erlebnisse aufgegriffen und stärken so das Bild der besonderen Beziehung der beiden. Sie könnten eigentlich unterschiedlicher nicht sein, was hauptsächlich äußerlich auszumachen ist, aber an vielen Eigenschaften auch charakterlich. Umso deutlicher wird nach und nach die Entwicklung der Protagonisten in Verbindung zur Entwicklung der Handlung. Beide müssen sich auf die Suche nach sich selbst begeben und wissen nicht, was sie finden werden und was es in ihnen auslösen wird. Die Kapitel sind dazu sinnvoll mit dementsprechenden Überschriften gekennzeichnet, sodass der Leser sofort weiß, in welche innerliche Empfindung er nun eintaucht.
Für mich war dieses Buch ein wirklich einzigartiges Leseerlebnis. Man fängt an das Buch zu lesen und denkt sich zunächst, dass es eine ganz nette Geschichte ist. Nach und nach baut sich aber so ein komplexes Konstrukt auf, wenn auch mit vorhersehbaren Handlungssträngen, dass man trotzdem immer weiter lesen und die beiden Charaktere auf ihrem Weg begleiten möchte. Der Einstieg war demnach etwas holprig, hat sich dann aber zum Schluss hin zu der Einstellung gewandelt, dass ich nicht wollte, dass das Buch zu Ende ist. Der Titel „Junge Hunde“ hat meiner Meinung nach gut gepasst. Es kommen tatsächlich viele Hunde vor, die eine metaphorische Bedeutung haben, haben können oder einfach als Weggefährte dargestellt werden. Hinzu kommt aber auch die Andeutung an die jungen Protagonisten, die ebenfalls versuchen erwachsen zu werden und ihren Weg finden möchten. Generell fand ich die Art, gewisse Dinge in mehreren Varianten interpretieren zu können sehr ansprechend.

„Es macht Flap, als das Eis dem Boden begenet, in einem feuchten Vanillekuss. Lili hat den klebrigen Stil in der Hand, sie verzieht den Mund und nichts passiert.“ S. 236


Für mich ist dieser Roman ein schönes Werk, welches die Schwierigkeiten aber auch die überraschenden positiven Eigenschaften des Lebens aufweist.  Beschäftigt sich mit der Frage, wie wichtig dem Menschen eine bestätigte Zugehörigkeit zu (s)einer Familie ist. Enthält mehr als nur eine Sichtweise und spielt mit der Vielfalt der Menschen und deren Empfindungen. Überrascht positiv mit vielen tollen Charakteren, die das Buch wirklich lesenswert machen und hat eine ausgewogene Mischung aus melancholischen, traurigen, fröhlichen und charmant lustigen Passagen.

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