(Original: "Uncollected Stories" / 2001) DVA, Übersetzer/in: Thomas Gunkel, 208 Seiten, gebunden, Einzelband, ★★★★☆ 4 Sterne
"Der Band Eine letzte Liebschaft versammelt die neun letzten noch nicht auf Deutsch veröffentlichten Erzählungen des Autors. Ganz gleich, ob er das unterdrückte Begehren einer Hausfrau in der Vorstadt thematisiert, die Verzweiflung eines Büroangestellten in Manhattan oder das gebrochene Herz einer alleinerziehenden Mutter – niemand porträtiert die Alltagshoffnungen und -enttäuschungen seiner Figuren so schonungslos, doch mitfühlend wie Richard Yates.“
MEINE
MEINUNG | FAZIT
"Um
die Wahrheit zu sagen… Um die Wahrheit zu sagen, dachte Miller, müsste ich
zugeben: von wegen schlechtes Gedächtnis. Ich habe nur das vergessen, was mir
nicht wichtig war, und in jener Nacht ging´s allein darum, im Dunkeln zu rennen
[…].“ S.11
Richard Yates ist für viele Romane bekannt, die
sogar unteranderem verfilmt wurden („Zeiten des Aufruhrs“). Umso überraschender
für mich, dass ich bisher noch kein Buch von ihm gelesen habe. Mit „Eine letzte
Liebschaft“ hat sich dies nun glücklicherweise geändert. Das Buch bietet dem
Leser neun kurze Erzählungen, welche abwechslungsreich sind, welche aber auch,
deutliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Alle Protagonisten der Erzählungen
spiegeln Seiten des Lebens wieder, die von einer sich einredenden „Alles ist in
Ordnung“ – Stimmung zur bitteren Erkenntnis umschwenkt, dass es etwas in ihrem
Leben gibt, was sie unglücklich macht. Diese Gradwanderung gelingt Yates so
gut, dass viele Geschichten nicht einmal eine Traurigkeit zurücklassen, sondern
einen ironischen Beigeschmack haben. Die Figuren haben alle einen ganz speziellen Charakter, der sich der jeweiligen Geschichte gut anpasst und auch in sich geschlossen ist. Es gibt keine Unklarheiten, was die Intention der Figuren angeht. Mir gefiel aber, dass keine Geschichte aufdringlich erscheint. Man liest die Erzählungen und genießt einfach die literarische Arbeit des Autors. Was zudem auffällt ist, dass die Geschichten sehr vielfältige Protagonisten beinhalten, die der Autor aber unfassbar gut aufgreift und sie auch versteht. Da wäre eben eine Hausfrau, ein Kriegsveteran oder ein kleines Mädchen, das herausfinden muss, wie sie für sich selbst einstehen kann.
"Ich
hatte gar nichts. Sie glaubte, ich hätte alles. Hielt mich für ein Genie.
Dachte, ich würde irgendwann ein neuer Sherwood Anderson sein. Wahrscheinlich
glaubte sie das immer noch.“ S.110
Würde man mich fragen, welche meine liebste Erzählung des Buches sei, könnte ich keine eindeutige Antwort abgeben. Ich finde das Buch an sich ist in dieser Form wunderbar gelungen und ergänzt sich zudem sehr gut. Die Geschichten bilden einen roten Faden, thematisch und in Hinblick auf die Aussagen und Wendungen der verschiedenen Leben, so dass man kein Gefühl von "Trennung", zwischen den Erzählungen empfindet. Da die Kapitel aber einzeln recht kurz sind, eigenen sie sich wunderbar als Bahnlektüre oder Ähnliches. Mit Sicherheit wird dies nicht das letzte Buch von Yates gewesen sein, welches ich zur Hand genommen habe, denn seine Erzählungen sind wirklich ein kleiner Lesegenuss. Hinter ihnen verbirgt sich eine Zerbrechlichkeit, wie aber auch eine Stärke, die man nur entdecken muss. Relativ leicht erzählt, aber mit einer Wirkung, die im Gedächtnis bleibt.
"Als Mann muss man keinen Verlobungsring
tragen, also hast du leicht reden. Ein Mann ist privilegiert, er kann tun, was
ihm gefällt.“ S.172
Neun kurze Erzählungen, die sich thematisch
gut aneinander anpassen und die Glückseligkeit beziehungsweise Unglückseligkeit
des Lebens aufzeigen. Interessante Protagonisten und Umstände variieren, so
dass die Ansichten aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden.
Unterhaltsam, rührselig und perfekt, wenn man Lust auf ein gutes Stück
gelungener Literatur verspürt.
Vielen Dank an den DVA Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!
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