Als Hemingway mich liebte von Naomi Wood

März 15, 2016



(Original: "Mrs. Hemmingway / ) Hoffmann und Campe Verlag: Bibliografie + Leseungstermine auf der Verlagsseite », 370 Seiten,  gebunden,  Einzelband,   ★★★★(☆)  4 bis 5 Sterne
"Im Sommer 1926 fahren Hemingway und seine Frau Hadley von Paris in ihr Haus in Südfrankreich. Sie verbringen ihre Tage mit Schwimmen, Bridge, Drinks und Hadleys bester Freundin Pauline. Dass sie zugleich Hemingways Geliebte ist, scheint Mrs. Hemingway Nr. 1 in Kauf zu nehmen - vorerst. Bald ist klar: Weder sie noch Pauline wird die letzte Ehefrau sein.
Basierend auf Briefen und anderen authentischen Quellen beschwört Naomi Wood nicht nur die immer wieder scheiternden Ehen des Schriftstellers herauf, sondern auch die Atmosphäre in den Kreisen der Bohème jener Zeit. Eine tragische, herzzerreißende, großartig erzählte Geschichte über das Scheitern vierer Frauen an einem charismatischen Mann und erfolgreichen Schriftsteller. "



MEINE MEINUNG | FAZIT

"Als sie sich wiedersahen, am Hafen von Boulogne-sur-Meer erklärte sie, sie werde den Rest ihres Lebens nicht mehr von ihrer Seite weichen. Erst später wünschte sie sich, er hätte ihr dasselbe versprochen." S. 144

Ernest Hemingway. Jeder kennt ihn und seine Werke. Alle feiern ihn und möchten mehr über den großartigen Schriftsteller erfahren. Aber es gab in seinem Leben vier Damen, die zusammen eine so vielfältige Geschichte erzählen, die sich ebenfalls lohnt gelesen zu werden. Bei den Damen handelt es sich um seine vier Ehefrauen. Dieses Werk von Naomi Wood nimmt Bezug auf die Übergänge der Ehen und die Gefühlswelten der Frauen. So ist die Geschichte, trotz einiger zeitlicher Überschneidungen, chronologisch angeordnet und widmet jeder Ehefrau ein ganzes Kapitel. Dabei ist jedes Kapitel für sich, eine eigene Welt. Als Leser wechselt man zwischen den verschiedenen Gefühlslagen und den Schicksalen, auch wenn sie sich in einigen Dingen sehr ähneln. Jede Frau verkörpert aber ein anderes Lebensgefühl. Nicht zu kurz kommt hierbei aber auch der Bezug zu Ernest Hemingway, auch wenn er als der Lebenspartner angesehen wird. Als Leser spürt man die Inspirationen, die Hemingway aus den Ehen gezogen hat. Mir kam das Werk "ruhig" vor, trotz der Höhen und Tiefen, die alle miterlebt haben. Die Sprache drängt sich einem nicht auf, man wird schlichtweg auf eine Reise durch die Vergangenheit mitgenommen. Ironie, Tragik, aber auch lebensbejahende Momente prägen die Geschichte. Im Vordergrund stand für mich deutlich, die Gefühlwelt der Protagonistinnen. Die Handlung spielte eine untergeordnete Rolle. Es geht um die Entwicklungen, die Hemingway, wie auch seine Frauen durchlebt haben und auch die Sehnsüchte, die alle mit sich trugen. Dennoch findet man auch in den zeitlichen Kontexten, in denen sich die Ehen befanden, einige schöne, wie auch ernste Impressionen des geschichtlichen Hintergrundes wieder.

"Keiner sagte etwas. Ach ja, sie hat vergessen, dass Erfolg sich entweder mühelos einstellt oder gar nicht. Es muss stets spielerisch bleiben. Eine immerwährende Cocktailstunde. Als bestünde das Leben nur aus schmachtender Jugend oder ständigem Vergnügen. Harte Arbeit war nichts für Leute von ihrem Schlag." S.87


Das Werk hat für mich definitiv etwas Großartiges geleistet. Man beginnt die ersten Seiten zu lesen und erwartet einen einfachen "Abtausch" der Ehefrauen, eine eher schlichte Geschichte über die gescheiterten Beziehungen eines großen Schriftstellers. Aber das Buch schafft es, die Frauen in den Fokus zu stellen und dabei von Kapitel zu Kapitel die Emotionen in eine ganz eigene Richtung zu lenken. Besonders am Ende war ich unfassbar gerührt und habe mich doch gefragt, was die Liebe aus uns allen machen kann und vor was sie uns beschützen oder nicht beschützen kann. Das überraschende für mich war, dass ich mir bei jedem Kapitel gewünscht habe, dass die Ehe halten würde. Und obwohl Hemingway bei der ganzen Sache nicht wirklich gut wegkommt, empfindet man für ihn stets dieses Gefühl, das man wohl für alle großen Schriftsteller hegt, die in ihrem Leben nach etwas Bestimmten gesucht und es scheinbar nie wirklich gefunden haben.  Es ist beinahe ein Gefühl des Bedauerns. Ich finde Naomi Wood hat ein so wunderbar authentisches, wie auch unterhaltsames, melancholisches und auch trauriges Werk geschaffen, das man lesen sollte, wenn man nicht die typischen Biographien über Hemingway lesen möchte. Interessant fand ich auch, dass im Anhang viele Quellen genannt werden, bei denen man sich noch zusätzliche Informationen, wie zum Beispiel Bilder der Ehefrauen etc. ansehen kann.  Als kleinen Tipp hätte ich noch das Buch "Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte" anzuführen. Ich habe es kurz vor dieser Lektüre gelesen und habe dadurch einen sehr schönen Einstieg in das Buch gefunden, da vor allem der Sommer in Antibes thematisiert wird. Auch wenn der Fokus bei der anderen Geschichte eher bei den Fitzgeralds lag, kann man sich die Atmosphäre präsenter vorstellen.

"Ernest hätschelte sein Andenken an Hadley wie ein Baby. Fife hingegen beschimpfte er als Teufelin. Nach dem heutigen Tag fragte sich Martha, was sie einmal sein wird." S. 192 

Eine chronologische Darstellung der Ehen Hemingways, allerdings auf eine sehr spezielle und gefühlvolle Art.  Deutlich aufbauende Vertrautheit und Gefühlswelt der Protagonisten. Eine Hommage an Hemingway, aber eher eine Bestätigung und eine Begeisterung für die Ehefrauen,  die an seiner Seite waren und ihn unterstützt haben. Es wird ein sehr außergewöhnliches Leben skizziert, welches den Leser aber nicht unberührt lässt.



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