Confessions of a Bookseller von Shaun Bythell

Juli 26, 2020

(Original: "Confessions of a Bookseller"/ 2019) Penguin Vitae Series, Übersetzer/in: -, ★★★(☆)☆ 3,5 Sterne
Shaun Bythell ist der Inhaber des größten Second-Hand-Buchladens in Schottland. In dieser Fortsetzung zu seinem Bestseller "Tagebuch eines Buchhändlers" enthüllt er weitere spannende Einblicke in seinen Alltag und die Wahrheit darüber, dass es nicht so idyllisch ist, ein Buchhändler zu sein, wie es viele vermuten. 
Er muss sich mit Kunden herumschlagen, die scheinbar nicht wissen, was ein Geschäft ist, hat eine Dauerauseinandersetzung mit Amazon und wird auch von seinen Mitarbeitern öfters eher veräppelt als ernst genommen.

Davon erzählt er durch scharfe Beobachtungen, aber auch mit scharfzüngigem Humor.
Band 1: "Diary of a Bookseller" (dt. "Tagebuch eines Buchhändlers")
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"Two elderly customers came in at 11 a.m. and left after five minutes, saying 'Eeeh, you could spend all day in here, couldn´t you?'  Well, apparently not."  S.76

Wenn ihr den ersten Teil von Shaun Bythells Alltagserlebnissen kennt, wisst ihr eigentlich genau, was ihr beim zweiten Teil erwarten könnt. Beide Bücher sind identisch aufgebaut, sodass wir auch hier ein ganzes Jahr im "The Bookshop" in Wigtown verbringen, den Kund'innen bei ihren meist unverschämten Fragen (und Shauns meist umso ironischeren Antworten) lauschen, die Feste rund um Bücher in Schottland mitverfolgen und herausfinden, inwieweit sich das Personal verändert.

"Busy day in the shop: two French couples - none of whom appeared to speak a word of English - bought 40 Pounds worth of books, all in English."  S. 22

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich ein klein wenig enttäuscht vom zweiten Band war, auch wenn ich genau wusste, was kommen wird. Ganz zu Beginn war ich euphorisch und habe mich sehr auf die Einträge gefreut. Die beschriebene Atmosphäre, die ganz eigene Art der erwähnten Personen, Captain - die Buchhandlungskatze, die Buchhandlung und die Stadt selbst. All das mochte ich auch hier wieder, aber ab der Mitte war ich manchmal mit einigen "witzigen Bemerkungen" überfordert. Ich wusste, dass es nicht böse gemeint war und auch der Autor selbst hat es meist kurz darauf relativiert, aber irgendwie hatte ich ein etwas merkwürdigeres Gefühl beim Lesen, als im ersten Teil.

Nichtsdestotrotz gibt es hier wieder wahnsinnig viele Buchtipps zu entdecken, die man sich gerne notiert und auch die Preiseinschätzungen zu "beliebten und seltenen / wertvollen" Büchern habe ich unfassbar gerne gelesen. Ebenso gefielen mir die Touren, die beschrieben werden, in denen die neuen Bücher eingekauft werden, die Beschreibungen, was sich im "Bookshop" so alles verändert und auch die Sticheleien gegen Amazon sind amüsant.
Daher würde ich schon sagen, dass es wie im ersten Band unterhaltsam zugeht. Ich war diesmal lediglich viel empfindsamer, was einige Witze betrifft. Leider kann ich nun nicht mehr beurteilen, ob ich im ersten Teil zu schnell über so etwas hinweggelesen habe oder ob es auf die Spitze getrieben wurde. Insgesamt aber war ich wieder mehr als gerne Besucherin in dem Second-Hand-Buchladen, wo alles möglich scheint.


Hier erwartet die Leser*innen ein weiteres, ereignisreiches, chaotisches, aber sehr unterhaltsames und bücherreiches Jahr in Wigtown. Bythells ironische Bemerkungen haben mich oft schmunzeln lassen, einige Male aber schien er mir übers Ziel hinauszuschießen. Dennoch mochte ich die gesamte Beschreibung des Ortes, der Feste und der Buchhandlung selbst und war traurig, als das Jahr zu Ende ging.

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Das fehlende Glied in der Kette (Hercule Poirot #1) von Agatha Christie

Juli 22, 2020

Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "The Mysterious Affair at Styles"/ 1920), Atlantik Verlag (2020), Übersetzer/in: Nina Schindler (aus dem Englischen), ★★★★☆ 4 Sterne
"Wer hat die wohlhabende Mrs Emily Inglethorp auf ihrem Landgut Styles Court vergiftet? Ihr Ehemann Alfred, der es scheinbar auf das Erbe abgesehen hat? Doch auch ihre Stiefsöhne oder die launische Haushälterin könnten die Mörder sein. In seinem ersten Fall nimmt Hercule Poirot alle Bewohner von Styles gründlich unter die Lupe, bis er das fehlende Glied in der Kette gefunden hat."
Dies ist die Jubiläumsausgabe zum 100. Geburtstag von Hercule Poirots erstem Fall und Agatha Christies erstem Kriminalroman.
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"'Ah!' Poirot fuchtelte mit dem Zeigefinger so heftig vor meiner Nase herum, dass ich zurückwich. Achtung! Schande über den Detektiv, der sagt: 'Das ist so geringfügig - das hat keine Bedeutung. Es passt einfach nicht. Ich werde es vergessen.' Das führt zu Verwirrung! Alles ist wichtig.' " S.43

Eines vorweg: Ich weiß, dass Agatha Christies Kriminalromane zur Unterhaltung dienen sollen und man eingeladen wird vordergründig einfach zu rätseln, wer der Täter sein könnte. Dennoch blieb mir leider unverständlich, wieso der Verlag sich nicht dazu entschieden hat, endlich die rassistischen Begriffe aus dem Original auszutauschen. Die Verwendung der Wörter hat überhaupt keinen Einfluss auf irgendwelche Kontexte oder kulturgeschichtlichen Bezüge (und selbst dann, sollte man dies umsetzen). Besonders zu diesem schönen Jubiläum hätte ich mich sehr darüber gefreut, weil es der Geschichte nicht diesen komischen Beigeschmack gegeben hätte und man nicht ständig den Impuls hätte, die Stellen selbst streichen zu wollen. Sehr schade!

Bewerte ich die Geschichte aber unabhängig davon, muss ich dennoch sagen, dass ich mit dem ersten Fall von Hercule Poirot gut unterhalten wurde und tatsächlich bis zum Schluss gerätselt habe. was mir entgeht und wer nun der oder die Schuldige sein kann.

"'Sie haben Ihrer Phantasie freien Lauf gelassen! Phantasie ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herr. Die einfachste Erklärung ist meistens die wahrscheinlichste.'"  S.89

DIE HANDLUNG

Agatha Christie schafft es tatsächlich die Leser*innen dazu aufzufordern, sich alles einprägen zu wollen, jeden Hinweis so gut es geht zu entschlüsseln und Unstimmigkeiten eines Verdachts zu verwerfen, um Unschuldige auszuschließen. Es ist ein wie klassisches Cluedo oder Whodunit - und das erwartet man ja auch irgendwie bei ihren Romanen! 
Ich persönlich mochte, dass es zügig vorangeht und man die Charaktere zwar immer etwas besser kennenlernt, demnach auch mögliche Motive aufgezeigt bekommt, man sich aber nicht mit ellenlangen Lebensläufen auseinandersetzt. Alles hat ein gutes Tempo, verweilt gerade genau richtig in einer Situation und ermöglicht so, dass man aus dem Zoom in den Weitwinkel schalten kann.

Insgesamt hat mir dieser Teil und auch der Start der Serie doch besser gefallen, als der 36. Fall namens "Hallowe´en Party", den ich damals, passend zur Stimmung, gelesen habe.

HERCULE POIROT

Den Ermittler lernen wir nur durch die Augen der anderen kennen, was ich aber ganz gelungen finde, denn dadurch (und das ist ja gerade der Reiz) erfahren wir nur die Bruchstücke und Indizien, die der Erzähler kennt. Und wie wir wissen, ist es nie mehr, als Hercule Poirot selbst weiß. Er ist es, der zuletzt auch den Erzähler durch seine Fähigkeiten und die Leser'innen verblüfft.
Ich kann nach dem ersten Teil noch gar nicht sagen, ob ich ihn charismatisch finde, aber er ist definitiv ein interessanter Charakter. Man wird natürlich durchaus dazu verleitet, sofort den nächsten Band lesen zu wollen, um mehr über ihn und seine Fälle zu erfahren. Seine zurückhaltende, jedoch recht aufbrausende Art passte hier aber ganz gut zu dem sonst sehr ruhigen Erzähler.

DER SCHAUPLATZ

Ebenso gefiel mir der klassische Tatort: Ein altes, großes, mit wertvollen Sachen verziertes und von einem großen Grundstück umgebendes Anwesen, das mehrere Türen und Durchgänge zu bestimmten Räumen hat. Passend dazu gibt es im Roman auch die ein oder andere Skizze des Gebäudes, das dem Gefühl des Ermittelns noch einmal einen kleinen Schub verleiht.


Ein Klassischer Kriminalroman, der die Leser*innen bis zum Schluss rätseln lässt. Hercule Poirots erster Fall ist knifflig und spannend erzählt. Nicht zu zäh, langatmig und auch nicht zu kurz. Alle, die Fans des "Wer hat´s getan?" sind, werden hier auf ihre Kosten kommen. Ich persönlich mochte den Fall und hatte auch Spaß beim Aufschnappen der Hinweise. 
Lediglich die Beibehaltung der rassistischen Begriffe aus dem Original haben mir den Roman schlechter erscheinen lassen. Ich denke, das war besonders zur Jubiläumsausgabe eine schöne Gelegenheit, dies zu ändern. Sehr schade, dass es nicht verändert wurde.

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Sister Outsider von Audre Lorde

Juli 20, 2020

(Original: "Sister Outsider"/ 1984) Penguin Vitae Series (2020), Übersetzer/in: -, mit einem Vorwort von Mahogany L. Browne, ★★★★(☆) 4,5 Sterne
Ein Band mit fünfzehn Reden und Essays der bekannten Dichterin und Feministin Audre Lorde. Sie spricht über Sexismus, Feminismus, Altersdiskriminierung, Rassismus & vielem mehr.
Diese Ausgabe ist Teil der Penguin Vitae Series. 
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"One oppression does not justify another."  S.52

Wenn man den Essayband beendet hat, fühlt sich alles, was man nun darüber sagen möchte, an, wie belangloses Geschwafel...
Ich hatte bereits bei Mahogany L. Brownes Vorwort eine Gänsehaut und spürte, dass Worte folgen würden, denen man gut zuhören sollte und auch muss!

Die fünfzehn Reden und Texte von Audre Lorde, die wir hier vorfinden, beschäftigen sich mit Lordes Erfahrungen und Lernprozessen, die sie selbst in Hinblick auf ihr Sein als schwarze, lesbische Feministin erlebt und umgesetzt hat. Sie zeigt auf, welche Schwachstellen es in unserer Gesellschaft gibt, welche Strukturen sich gefestigt haben, die nur einer bestimmten Gruppe eine durchaus große Macht verleiht und wie diese Macht letztlich so missbraucht wird, dass viele darunter zu leiden haben. 
Es ist beeindruckend und beängstigend zugleich, wie sehr Audre für ihre Ansichten und ihre Arbeit gekämpft hat, um anderen (überwiegend weißen Menschen!) etwas beizubringen und ihnen zu verdeutlichen, was Rassismus bedeutet und wie er funktioniert und gleichzeitig wie wenig sich doch getan hat, seit diese Essays und Reden (seit 1976) veröffentlicht wurden.

"The Women´s Studies Program if a southern university invites a Black woman to read following a weeklong forum on Black and white women. 'What has this week given to you?' I ask. The most vocal white woman says, 'I think I´ve gotten a lot. I feel Black women really understand me a lot better now; they have a better ideaof where I´m coming from.' As if understanding her lay at the core of the racist problem."  S. 116

Und wenn man sich die derzeitigen Diskussionen zum Rassismus anhört, besonders nach Protestbewegungen wie "Black Lives Matter", ist es einfach mehr als ernüchternd, wenn man merkt, dass Audre Lorde bereits damals schon genau die gleichen Probleme veranschaulicht und kritisiert hat und gleichzeitig dafür gekämpft hat den Zusammenhalt in der Black Community zu stärken, die Menschen aber weiterhin mit den gleichen Hindernissen zu kämpfen haben.
Das resultiert natürlich daraus, dass die weiße Gesellschaft Angst davor hat ihre Privilegien, ihre "Reichtümer", ihre guten Jobs und guten Wohngegenden zu teilen - mit schwarzen Menschen versteht sich. Vorurteile und Rassismus haben nie an Gewichtung verloren, sie wurden nur zeitweise ein wenig an den Rand der Öffentlichkeit gedrängt. Lorde greift diese systematischen Machtkämpfe auf und zeigt, was sich ändern, was jeder von uns leisten müsste, damit wir eine Chance haben, eine gerechte Gesellschaft zu erschaffen.

Darüber hinaus spricht Lorde in ihren Reden und Essays auch offen darüber, was es heißt, nicht nur schwarz, sondern auch lesbisch und feministisch zu sein.
Ich muss zugeben, dass ich Lordes Auffassungen, Aussagen, Antworten und Sichtweisen sehr bewundere, weil sie stets versucht einen Ausweg aus den Miseren zu finden, in denen wir stecken. Dennoch wird einem schlichtweg einfach nur beim Lesen bewusst, dass wir immer noch am Anfang stehen uns selbst als tolerante Gesellschaft weiterzubilden!

"For while we wait for another Malcom, another Martin, another charismatic Black leader to validate our struggles, old Black people are freezing to death in tenements, Black children are being brutalized and slaughtered in the streets, or lobotomized by television, and the percentage of Black families living below the poverts line is higher today than in 1963."  S.133


Lest Audre Lordes Worte, verinnerlicht sie und feiert ihre hart erarbeitete Selbstliebe! Ihre Essays und Reden sind klug, gefühl- und kraftvoll, ehrlich und bieten einen mehr als geeigneten Grundstein, um sich mit den Themen Rassismus, Feminismus und Sexismus auseinanderzusetzen. Sie greift Probleme auf, die zwischen den Schwarzen und Weißen bestehen, aber auch Probleme, die sich in der Schwarzen Community selbst gebildet und aus den patriarchlaischen Strukturen der Weißen festgesetzt haben. Es ist ein Manifest für das Zuhören, das kritische Hinterfragen seiner eigenen Verhaltens- und Denkweisen und für die Akzeptanz der eigenen Sexualität. 
Und es ist noch so viel mehr... aber das könnt ihr nur erahnen, wenn ihr ihre Texte selbst entdeckt!
 
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Neuzugänge: Bösewichte, Buchhändler & Lucy Foley

Juli 16, 2020

Schon öfters habe ich bei vielen von euch gelesen, dass sie vermehrt Bücher kaufen, wenn sie eigentlich keine Zeit haben, um sie alle in Angriff zu nehmen. Bei mir macht sich das gerade auch ein wenig bemerkbar. Diesen Monat bin ich bei Buch zwei angekommen, der Stapel an Neuzugängen ist aber mittlerweile auf eine Stückzahl von 7 angestiegen (dabei erscheinen erst im Herbst die richtig interessanten Bücher!). Ich bin aber auch weiterhin optimistisch und sage einfach mal, dass ich die Bücher bis dahin alle gelesen habe...Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Wer schon ganz aufmerksam durchgezählt hat, wird sehen, dass auf den Bildern ein Buch fehlt. Das siebte Buch habe ich vor knapp zwei Wochen auf gut Glück bestellt. Es ist Lily Kings "Writers & Lovers", welches heute auch sozusagen die Deutschlandpremiere feiert. Ich habe mir die signierte Edition bei meiner Buchhandlung des Vertrauens ausgewählt, durch die ganze Lage momentan, dauert es aber einfach deutlich länger, als vorher immer angegeben. Ich bin zuversichtlich, dass es bald eintrudelt (toi toi) und dass es mir dann am Ende auch gefallen wird. Von "Euphoria" waren ja ziemlich viele Leser*innen sehr begeistert, daher auch meine optimistische Idee, mir direkt eine signierte Variante zu bestellen. 

Nun aber zu den Büchern, die schon angekommen sind und sich nun auf meinem Tisch türmen, weil nun ja, wir kennen es, die Regale wieder voll sind. Et voilá:

DIE NEUEN BÜCHER IM ÜBERBLICK

  • "The Starless Sea" von Erin Morgenstern: Für euch vielleicht eher uninteressant, da ich schon die deutsche Version vorgestellt habe, aber mir hat der Roman doch so gut gefallen, dass ich einige Stellen auch gerne im Original nachlesen wollte. Daher ist nun die englische Version von "Das sternenlose Meer" bei mir eingezogen. Die Gestaltung ist übrigens wirklich geglückt!
  • "Night. Sleep. Death. The Stars." von Joyce Carol Oates: Endlich konnte ich mich mal für ein weiteres Buch der Autorin entscheiden! Nach meinem Beitrag "Meine Anfänge mit Joyce Carol Oates"  fiel es mir schwer, aus der großen Auswahl ein Buch als nächste Lektüre festzulegen. Wie passend, dass im Juni ein neuer Roman erschienen ist, der mich inhaltlich auch sehr interessiert. Im Klappentext heißt es, dass es die dunklen Seiten unserer Gesellschaft thematisiert und sich zugleich mit den Kämpfen einer Familie beschäftigt, somit auch viele psychologische Aspekte aufgreift, die sich auf die Trauerbewältigung beziehen. 
  • "The Guest List" & "The Hunting Party" von Lucy Foley: Ich weiß auch nicht, warum es gleich beide Romane der Autorin sein mussten, aber ich bin gefühlt schon längst im Herbst angekommen und habe Lust mich mit einem guten und rätselhaften Buch zurückzuziehen. Besonders nachdem ich letztens mit meinem Freund den (Whodunit) Film "Knives Out" gesehen habe, haben mich die Geschichten von Foley angesprochen. Bin mal gespannt, ob ich herausfinden werde, was da so für Geheimnisse verborgen liegen. 
  • "Confessions of a Bookseller" von Shaun Bythell: Auf Instagram hatte ich vor einiger Zeit bereits erwähnt, dass mich der zweite Teil von Shaun Bythell sehr reizt. Mir gefiel diese beinahe schurkige Art, wie er von seinem Alltag im (Secondhand) Buchladen erzählt. Nun freue ich mich sehr auf ein Wiedersehen mit dem "The Bookshop" in Wigtown.
  • "If we were villains" von M.L. Rio: Ebenfalls aus der Kategorie "Ich bin bereit für Herbstlektüre" ist wohl dieses kleine Taschenbuch. Es klang einfach zu gut und hat mich zusätzlich an Maggie O´Farrells "Hamnet" erinnert. Hier geht es nämlich um ein zurückliegendes Verbrechen, die Frage nach Schein und Sein und um ganz viele Referenzen zu Shakespeares Stücken (soweit ich das herauslesen konnte). Genau meins. Mir bricht nur wirklich jedes Mal das Herz, wenn ich das Cover anschaue. Aber das ist ein anderes Thema...

Deckt ihr euch auch schon für den Herbst mit (passenden) Büchern ein? Kennt ihr eines der Neuzugänge und würdet es empfehlen oder davon abraten? Und welches Buch ist bei euch zuletzt eingezogen?


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Das Holländerhaus von Ann Patchett

Juli 12, 2020

Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "The Dutch House"/ 2019), Berlin - Piper- Verlag (2020), Übersetzer/in: Ulrike Thiesmeyer (aus dem Englischen), ★★★★☆ 4 Sterne
"Manchmal ist es ein Haus. das die Geschicke einer Familie bestimmt..."
Danny und Maeve sind Geschwister und wohnen seit Kindheitstagen im Holländerhaus. Eine Streitigkeit in der Familie sorgt jedoch dafür, dass ihre Stiefmutter Andrea sie fortan aus dem Haus drängt. Wirklich Abschiednehmen können sie da noch nicht und so treffen sie sich auch nach Jahren noch, um vor dem Haus zu parken und es zu betrachten, samt Mitbewohner*innen. Doch eines Tages scheint nicht nur das einst geliebte Holländerhaus neue Wege gehen zu wollen...
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"In der Leitung blieb es kurz still. 'Was hast du vor?'
       'Ich möchte gern verstehen, was in unserem Leben los war. Ich versuche dasselbe, was du immer machst, ich will die Vergangenheit entschlüsseln.'
'An einem Samstagmorgen', sagte sie. 'Bei einem Ferngespräch?'" S.179

Kann ein Haus wirklich das Schicksal mehrerer Generationen beeinflussen?
Ann Patchetts "Das Holländerhaus" macht anfangs den Anschein, als ginge es in dem Roman an erster Stelle eben um das namentlich erwähnte Gebäude. Was löst es in den Menschen aus? Welches Mobiliar finden wir vor und welche Geschichte steckt dahinter? 
Liest man aber nur einige Kapitel wird schnell deutlich, dass das Haus nur das Grundgerüst allen dessen ist, was Patchetts Roman uns sagen möchte und letztlich sind es die Feinheiten zwischenmenschlicher Beziehungen, welche die Figuren stets leiten.

Auch wenn dies heißt, dass der Anteil des tatsächlich vorkommenden Holländerhauses etwas reduziert wird, mochte ich die Herangehensweise. Das Haus bleibt ein kleines mystisches Etwas, das vielleicht gewisse Einflüsse hat, das aber letztlich nur eine Projektion der Figuren und deren Träumen bleibt. Dabei mochte ich vor allem, dass man von Danny und Maeve dadurch immer kleine Geheimnisse aus der Vergangenheit erzählt bekommt und diese dafür sorgen, dass man als Leser*in denkt, man hätte seine Kindheit auch ein Stück weit dort verbracht.
So ist das Haus irgendwie omnipräsent, ohne ständig Mittelpunkt des Ganzen zu sein.

"Fluffy war die Einzige im Haus, die die VanHoebeeks noch gekannt hatte. Nicht mal mein Vater hatte sie persönlich kennengelernt, obwohl wir auf ihren Stühlen saßen, in ihren Betten schliefen und von ihrem Delfter Porzellan aßen. Die VanHoebeeks waren nicht die Geschichte, aber das Haus war in gewissem Sinne die Geschichte, und es war ihr Haus."  S.15

Für mich war der Roman daher eine Hommage an die Familie und gleichzeitig eine Kritik daran, was passiert, wenn man die eigenen Wünsche und Vorstellungen einfach auch für andere Personen als angemessen und erstrebenswert ansieht. Die Geschichte stellt dadurch auch die Frage, wie das Schicksal der Protagonisten wohl verlaufen wäre, wenn es das Holländerhaus gar nicht gegeben hätte. Sind die Ambitionen von Dannys und Maeves Vater Grund für das gleichzeitig auseinanderfallende Familiengerüst?
Es ist sicherlich nicht leicht, den Roman nur auf einen Aspekt zu reduzieren, denn hier treffen sich sehr viele Perspektiven, soziale Schichten, Vergangenheiten und (unverzeihliche) Fehler, dass man mit vielen Themen konfrontiert wird. 
Der Erzähler Danny ist natürlich treffend gewählt (und im Zusammenspiel mit Mave fantastisch), da er einerseits, die ihm in der Vergangenheit unverständlichen Handlungen der Erwachsenen aus Kindheitssicht aufzeigt und andererseits als Heranwachsender und schließlich Erwachsener, selbst damit kämpft (wichtige) Entscheidungen zu treffen, um sich, aber leider auch andere glücklich zu machen. 
Mir gefiel zudem, dass keine Figur einfach zu entschlüsseln ist und niemand in "gut" oder "böse" unterteilt wird (auch wenn es die "böse" Stiefmutter zu geben scheint). Es gibt zahlreiche Graustufen, die es Stück für Stück selbst, nicht einzuordnen, aber zu interpretieren gilt. 

Die Fülle an Wendungen und Ereignissen hat mir ganz gut gefallen, auch wenn man manchmal schon denkt, dass man es etwas mit einem Augenzwinkern lesen sollte und die Geschichte kleine ironische Passagen einbaut, um das doch schwere Familienschicksal nicht zu sehr zu belasten.
Mich hat der Roman grundsätzlich durchgehend gut unterhalten, aber der Schluss war für mich noch einmal besonders geglückt, da hier noch einmal der Fokus darauf gelegt wird, dass ein Perspektivwechsel wieder ganz neue Geschichten und Wahrheiten hervorbringen kann.


Ein Roman über eine Familie, deren Gedanken stets um das Haus kreisen und gleichzeitig die Schwierigkeiten mit unvollendeten Geschehnissen der Vergangenheit thematisiert.  Es ist ein Familiendrama, das mal bitterernst ist und Fehler innerhalb der Familie und deren Vorstellung füreinander skizziert und dann wiederum durch ironische Einschübe für Lockerungen sorgt. Hat durchaus ein interessantes Konzept, man muss aber Romane mögen, die sich mit der Dynamik von (Stief-)Familien beschäftigen und das Augenmerk auf die Spannungen von Familienmitgliedern legen.

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Seasons Edition: Summer - Classics

Juli 07, 2020

Im Januar gab es hier einen Beitrag über die englischensprachigen Seasons Edition: Winter Classics, welche im Thomas Nelson Verlag erschienen sind. Nun folgte Ende Juni die nächste Jahreszeit, nämlich der Sommer! 

Auch hier gibt es wieder vier Klassiker, die thematisch zu der Jahreszeit passen oder überwiegend im Sommer spielen. Dieses Mal sind "Jane Eyre" von Charlotte Bronte, "The Wonderland Collection" von Lewis Carroll, "Persuasion" von Jane Austen und "The Adventures of Huckleberry Finn" von Mark Twian vertreten.
Das Prinzip des Sets ist im Grunde gleich geblieben, es gibt allerdings doch einige Änderungen, die ganz erwähnenswert sind. Daher folgt eine kleine Aufzählung, was geblieben ist und was wir eventuell Neues vorfinden.

 

DAS IST GEBLIEBEN:

  • Limited Editions: Die Editionen sind auf 10.000 Kopien festgelegt und es wird keine Neuauflagen geben. Das bedeutet, dass es alles Erstausgaben sind. Perfekt für Sammler also. Jede Ausgabe wird mit der dazugehörigen Nummer von 1-10.000 versehen.
  • Laser Cut Cover: Der Schutzumschlag wurde auch hier durch eine Laser Cut-Methode ausgeschnitten und ist somit ein wirklicher Hingucker.
  • Bunte Farben & Goldprägungen: Alle Ausgaben sind unter dem Schutzumschlag bunt und haben eine andere Farbe. Hinzu kommen die kleinen goldenen Details, die man auf den Büchern findet (Titel vorne auf dem Cover und das Zitat hinten auf dem Buch). 
  • Innengestaltung: Auch das Innere ist so aufgebaut, wie die ersten vier Seasons Edition Winter Ausgaben. Zwischendurch gibt es immer mal wieder ganze Seiten, die ein schönes Zitat aufgreifen. Dieses ist dann mit der passenden Farbe und Grafiken hervorgehoben.

DAS IST NEU:

  • Blau statt weiß: Alle Schutzumschläge sind diesmal hellblau und nicht weiß. Blickt man auf die im März 2021 folgenden Frühlingseditionen in hellgrün, scheint mir das recht passend. So hat jede Jahreszeit ihre Farbe und sticht ein wenig hervor.
  • Lesezeichen!: Die vielleicht schönste Erneuerung ist wohl, dass jedes Buch der Sommeredition mit einem passenden Lesezeichen daherkommt. Ebenfalls in hellblau und ausgeschnitten mit der Laser-Cut-Technik. Das Motiv wurde von den jeweiligen Covern entnommen. Die Lesezeichen sind alle an dem kleinen Pappzusatz hinten am Buch, in einem kleinen Folienschutz, befestigt.
  • Kein bunter Buchschnitt: Diese vier Ausgaben haben leider keinen bunten Buchschnitt mehr, das heißt hier sind sie klassisch weiß. Da die Buchumschläge aber nicht mehr so dezent sind, finde ich es gar nicht so schlecht, sonst hätte es schnell überladen wirken können.
  • Keine bunten Lesebändchen. Ebenfalls nicht mehr bunt, sondern einheitlich sind nun die Lesebänden in hellblau. Auch hier finde ich es aber passend.
  • Verstärkter Schutzumschlag: Nicht so wichtig, aber dennoch für einige vielleicht interessant. Die älteren vier Ausgaben waren etwas anfälliger, um vielleicht an gewissen Stellen einzreißen. Diese Buchumschläge wirken etwas fester. Zudem kommen alle Bücher zusätzlich mit einem noch einmal verstärkten Schutz. Dieser ähnelt den durchsichtigen Hüllen, die man so für Schulbücher verwendet. Die kann man natürlich abnehmen, damit die Bücher noch schöner wirken, wer allerdings vielleicht vor einem Umzug steht, wird sich sicherlich freuen, die empfindlicheren Bücher damit etwas schützen zu können. 

Gefällt euch eine der Editionen besser (Winter oder Sommer)? Oder gefallen euch beide, trotz kleiner Unterschiede?


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Mai und Juni: Weniger ist mehr? Und neue Playlist

Juli 02, 2020

Was für eine erste Jahreshälfte. Ich dachte ja schon im April wäre der Höhepunkt erreicht, aber schlimmer geht wohl immer. 
Leider hat sich die allgemeine Stimmung auch irgendwie auf mein Leseverhalten ausgeweitet, denn in den letzten zwei Monaten habe ich viel weniger gelesen, als ich eigentlich vorhatte. Es lag einfach daran, dass natürlich die Zeit knapp war und dass ich mich nicht unbedingt leicht auf alle Romane konzentrieren konnte. Meine Penguin Vitae Box steht nun auf meiner Juli Leseliste und ich hoffe, dass ich nun zumindest schaffe "Sister Outsider" zu lesen!

Bei mir ist es so üblich, dass ich in einer Musikschleife festhänge, wenn ich nicht so viel lese. Dieses Mal hat sich meine Playlist wieder einmal um ein gutes Stück erweitert. Habt ihr das auch, dass ihr bei ganz bestimmten Liedern plötzlich voller Tatendrang strotzt, am kreativsten seid oder einfach am besten arbeiten könnt? 
Derzeit habe ich ständig Youtube an (kein Spotify? Ich weiß, ich bin Oldschool...aber ich mag es irgendwie mir die Musikvideos dazu anzusehen – visueller Typ und so?) und lasse meine ganzen Listen durchlaufen und spule immer wieder zurück. Dabei sind die Lieder alle so unterschiedlich, dass ich gar nicht weiß, wieso mein Kopf sich immer denkt, dass ich diese Lieder gerade so brauche. Hier mal ein kleiner Einblick:
  • "Adore You" von Harry Styles: Ich habe absolut keine Ahnung, warum ich das Lied so sehr mag. Hatte es einmal im Radio gehört, dann gesucht und nun macht es mir einfach gute Laune und ich kann gleichzeitig alle Aufgaben einfacher abarbeiten. Vielleicht mag ich das Lied auch einfach nur durch das dazugehörige Video so gerne. Ist wohl auch so ein Tick von mir. Wenn mir das Musikvideo gefällt, steigt mein Interesse an dem Lied plötzlich auch noch einmal an.
  • "Kiwi" von Harry Styles: Pluspunkt vom Audioplay bei Youtube: Ich werde auf Lieder aufmerksam, die schon relativ alt sind (2017), aber genau meinen Geschmack treffen. "Kiwi" wurde reingespült, als ich erstes Lied in Dauerschleife gehört habe und es darf nun auch auf der Playlist bleiben. 
  • "Everything I wanted" von James Arthur (Billie Eilish Cover) & "Blue Lights" (Jorja Smith Cover): Schön ruhig und naja, ich mag die Stimme von James Arthur einfach. 
  • Daher auch "Finally Feel Good" von James Arthur: Typisches Lied, das ich anschmeiße, nachdem ich mir meinen Kaffe gemacht habe und die Laptops hochfahre.
  • "Don´t Let go (Love)"& "Would I Lie" von Bastille ft. Craig David, Kianja, Swarmz: Beides Cover, aber schön neuinterpretiert.
  • "Sunlight" von Hozier: Brauche einfach immer auch etwas Rockiges! 
  • "Told you so" & "Now" von Paramore: Die Band ist einfach seit meiner Jugend haften geblieben. Wird wohl auch immer so bleiben. Die beiden Lieder sind gerade ebenfalls meine Favoriten.

Aber nun zu den Büchern! Die Anzahl der Bücher selbst ist wie gesagt recht überschaubar, dafür sind einige Bücher aber von der Seitenanzahl selbst ziemlich umfangreich. Daher auch das "Weniger ist mehr": 

Wie immer gelangt ihr durch Anklicken des Buchtitels, falls vorhanden, auf die jeweilige Rezensionsseite. 
  • Peculiar Children #1-3 von Ransom Riggs: Die drei Bände habe ich gemeinsam mit meiner Schwester gelesen. Das ging tatsächlich auch recht zügig, da die Bücher spannend waren und wir natürlich unbedingt wissen wollten wie es weitergeht. Mir haben die Einfälle ziemlich gut gefallen und auch zu den Figuren habe ich nach und nach eine gute "Bindung" aufbauen können. Ich weiß hier aber tatsächlich nicht, ob ich gewisse Details oder Veränderungen aus der ersten Verfilmung nicht sogar etwas charmanter fand. Band zwei und drei waren rein inhaltlich etwas stärker, da einfach mehr passiert und sich viele Geheimnisse offenbaren. Die erwähnten Tiere von der Insel waren für mich ein kleines Highlight! Die nächsten drei Bände werden also ganz sicher auch noch gelesen.
  • "Hamnet" von Maggie O´Farrell: Eines meiner neuen Favoriten. Ich mochte ehrlich gesagt fast alles daran. Die Stimmung ist so schön geheimnisvoll und atmosphärisch und auch der Erzählstil hat mir gut gefallen. Ich könnte mir vorstellen, dass ich das Buch noch einmal im Herbst / Winter lese, wenn es stimmungsmäßig noch besser passt. O´Farrell hat hier den Fokus sehr schön auf die Familie als solches gelegt und nicht den Trick angewandt und den Namen "Shakespeare" reingeschmissen, um den oder die Leser*in damit zu locken.
  • "Walden" von Henry D. Thoreau: Ich war letztlich leider mehr als enttäuscht von dem Klassiker. Wir haben einfach nicht zusammengepasst. Mir gefiel der Ton des Autors überhaupt nicht und irgendwann war mir das Gesagte dann auch schon zum Ende hin beinahe egal, obwohl es schöne Überlegungen zu der Lebensweise des Menschen gibt!
  • "Das sternenlose Meer" von Erin Morgenstern: Ebenfalls ein Favorit! Habe mich sogar dazu entschlossen, das Buch noch einmal in der englischen Version zu kaufen, weil ich die Stellen, die mir so gefielen, auch im Original lesen wollte. Die Stimmung ist schon sehr eigen und auch diese sprunghafte, verschachtelte Erzählweise mag vielen nicht gefallen, mich hat es aber tatsächlich direkt in den Bann gezogen und je weiter ich in der Geschichte vorangekommen bin, desto mehr habe ich mich in alles darin verliebt!
  • "The Missing of Clairdelune" (The Mirror Visitor #2) von Christelle Dabos: Für mich ein gelungener zweiter Teil der Reihe. Den Anfang fand ich noch so lala, das Ende hat mich dann aber doch sehr neugierig gemacht. Ich mag die neue Ebene der Geschichte, die hier aufgebrochen wird, da ich für solche Handlungsstränge die Richtung Mythologie gehen sehr zu haben bin. Es ist etwas schwierig hier Näheres zu verraten ohne zu spoilern, daher einfach: Es lohnt sich dranzubleiben.
  • "Miracle Creek" von Angie Kim: Am letzten Tag des Monats noch zu Ende gelesen. Bin weiterhin etwas zwiegespalten. Wie ich schon sagte, ich habe die Figuren schnell loslassen können, was irgendwie schade ist. Wenn ich aber gezielt an gewisse Handlungsstränge oder Kapitel denke, ploppen weiterhin wichtige Überlegungen auf, die ich wertvoll finde und die mir den Roman dann wieder stärker erscheinen lassen.

Zwei Monate verfliegen wirklich schnell... Was habt ihr so im Mai und Juni gelesen? Könnt ihr euch momentan aufs Lesen konzentrieren oder hört ihr auch lieber Musik (spielt Spiele etc.?)

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"Miracle Creek" von Angie Kim

Juli 01, 2020

Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "Miracle Creek"/ 2019), hanserblau Verlag (2020), Übersetzer/in: Marieke Heimburger (aus dem Englischen), ★★★★☆ 4 Sterne
"In der Kleinstadt Miracle Creek in Virginia geht ein Sauerstofftank in Flammen auf. Zwei Menschen sterben – Kitt, die eine Familie mit fünf Kindern zurücklässt, und Henry, ein achtjähriger autistischer Junge. Im Prozess wegen Brandstiftung und Mord sitzt Henrys Mutter Elizabeth auf der Anklagebank. Und die Beweise sind erdrückend. Hat sie ihren eigenen Sohn ermordet? Während ihre Freunde, Verwandten und Bekannten gegen sie aussagen, wird klar: In Miracle Creek hat jeder etwas zu verbergen. "
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"Ein Kind mit besonderen Bedürfnissen zu haben, veränderte einen Menschen nicht einfach nur - es verwandelte ihn, transportierte ihn in eine andere, parallele Welt mit ganz eigenen Naturgesetzen." S.51

Ich muss sagen, als ich die Inhaltsangabe gelesen habe, dachte ich nicht, dass der Roman so vielschichtig sein und gleichzeitig so viele wichtige und ernste Themen ansprechen würde. Obwohl ich an der Geschichte relativ konstant interessiert gewesen bin und den Figuren aus Miracle Creek, in Anbetracht der schrecklichen Geschehnisse, gerne durch deren Leben und Erlebnisse gefolgt bin, habe ich lange mit mir und der finalen Beurteilung gehadert.

Das lag größtenteils daran, dass ich, wie schon angedeutet, dem Roman gegenüber eigentlich nie wirklich abgeneigt war. Mir schienen zwar einige kleinere Handlungsstränge schon zu viel, zu ausladend und gleichzeitig (paradoxerweise) zu wenig beleuchtet zu sein, aber ansonsten habe ich mich mitgerissen gefühlt, weil man natürlich herausfinden möchte, was nun wirklich geschehen ist und welche Geheimnisse offenbart werden.
Andererseits jedoch habe ich mich ständig dabei ertappt, wie ich dachte, dass dieses oder jenes sehr einseitig betrachtet wird. Besonders stark viel mir das im Handlungsstrang von Henry und seiner Mutter auf. Seine autistische Art wird zwar von allen Seiten "beleuchtet" und aufgrund von Demonstranten oder Freunden der Familie dargestellt, aber stets schwang dieses Gefühl mit, dass man in unserer Gesellschaft mit "so einem Kind" benachteiligt bleibt. Das Traurige dabei ist jedoch, dass ich dafür den Text kritisiert habe, wo doch gerade dadurch aufgezeigt wird, dass unsere Gesellschaft tatsächlich so denkt und dies auch als Gedankenfragment bei den Eltern der Kinder hängen bleiben kann. 
Ich fand dieses Thema im Roman letztlich doch ganz gelungen umgesetzt, allerdings hätte ich mir vielleicht eine noch stärkere Stimme darin gewünscht, die gerade unsere "normale" Gesellschaft dahingehend sensibilisiert und aufzeigt, dass wir es sind, die aufhören müssen, das Leben, wenn es nicht perfekt ist, als makelhaft anzusehen.

"Miracle Creek sah nicht aus wie ein Ort, an dem sich je Wunder zutrugen, außer vielleicht jenes, dass Menschen hier jahrelang lebten, ohne vor Langeweile durchzudrehen."  S.23

Neben diesem doch großen Thema im Roman geht es allerdings auch um die eigene Identität und die Schwierigkeiten die aufkommen, wenn man in ein fremdes Land zieht und dort versucht eine bessere Zukunft für sich und seine Familie aufzubauen. 
Auch diesen Handlungsstrang fand ich im Großen und Ganzen geglückt, aber mir fehlte immer so ein Quäntchen des Gefühls, dass ich die Figuren wirklich als Personen wahrnehme, dessen Schicksal es tatsächlich gibt. Manchmal dachte ich, das stellt sich noch zum Ende hin ein und diese Mauer der Distanz wird durchbrochen, aber leider blieb eine gewisse Distanz bis zum Schluss bestehen, sodass ich die Figuren zwar irgendwie mochte, sie letztlich aber ohne große Probleme loslassen konnte. Dabei gingen mir die vielen Gedanken und Erlebnisse größtenteils durchaus nahe. Das ist daher auch ein Punkt, der dazu geführt hat, dass ich in meiner Bewertung ständig geschwankt bin. 

Ich glaube ein wenig "enttäuscht" war ich zum Schluss auch, dass ich bereits schon zu Beginn das Ende so vermutet habe, wie es letztlich gekommen ist. Zwar mindert das durchaus keineswegs die Inhalte bezüglich der Themen wie Familie, Zusammenhalt, Akzeptanz und Liebe, aber irgendwie blieb dann für mich persönlich ein wenig der Moment aus, an dem ich den Roman vielleicht noch auf einer anderen Ebene spannender gefunden hätte.
Ein Pluspunkt war allerdings die Herangehensweise hinsichtlich der Erzählart und allgemein der Aufbau durch die Gerichtsverhandlung. Das hat ein gutes Tempo vorgelegt. 

Gut fand ich rückblickend grundsätzlich die vielen Blickwinkel auf die Situationen. Man kann jeden Strang irgendwie nachvollziehen und fühlt zum Beispiel mit den Müttern mit, die sich einerseits für alles schuldig fühlen, ständig ihr Bestes geben und doch auch mal die Kontrolle verlieren und somit eine Reihe von schwerwiegenden Fehlern lostreten können. Dann aber die Demonstrantinnen, die denken, die Mütter seien Kontrollfreaks, gleichzeitig aber natürlich überhaupt nicht einschätzen können, was dies wirklich bedeutet oder grundsätzlich alle drumherum, die einfach versuchen irgendwie ihr Leben bestmöglich zu leben, sich aber ständig unter Druck gesetzt fühlen. Von der Familie, von der Arbeit, von der Gesellschaft... Und doch liest man alles und denkt sich: Was ist nur los mit dieser Stadt, dieser Welt und den teilweise absurden Ansichten, die wir über Menschen und das Leben so haben. Warum ist alles stets nur dann gut, wenn es die Mehrheit als "normal" , "schön" oder "wertvoll" ansieht?
Insgesamt ein Buch also, dass durchaus viele Überlegungen aufwirft, kritisch ist und gleichzeitig das Wichtigste, die Liebe zwischen den Menschen, nie ganz aus den Augen verliert.

Ich komme also nicht umhin zu sagen, dass ich trotz meiner persönlichen Hin- und Hergerissenheit die angesprochenen Themen wertvoll und auch die Umsetzung an vielen Stellen sehr geglückt finde. Daher würde ich den Roman wohl empfehlen, aber immer mit dem Verweis darauf, dass man selbst noch einmal ein kritisches Auge auf das Geschriebene und die eigentliche Intention dahinter werfen sollte. Der für mich emotionalste Handlungsstrang war tatsächlich der, in welchem Elizabeth ihr Leben mit ihrem Sohn Henry schildert.

"Aber so läuft das Leben nicht. Eine Tragödie macht einen nicht immun gegen weitere Tragödien, und Schicksalsschläge werden nicht gerecht hier und da verteilt - mit Unglück wird klumpenweise, gebündelt nach einem geworfen, unkontrollierbar und chaotisch. Wie konnte er das nicht wissen, nach allem was wir durchgemacht hatten?" S.10


Ein recht komplexer und vielschichtiger Roman, der wichtige Themen aufgreift. Vorrangig geht es hier wohl um die Liebe und Beziehung zu den eigenen Kindern. Geglückt ist für mich vor allem, dass alle Schicksale aufzeigen, was es bedeutet, die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen, um den eigenen Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen zu können und sich dabei ein stückweit selbst und das Wesentliche aus den Augen verliert. Es ist eine Geschichte, die sich zudem mit der Zugehörigkeit in dem eigenen oder einem fremden Land beschäftigt, die versucht, im Ansatz die Herausforderung mit Kindern mit "besonderen Bedürfnissen" zu verdeutlichen und somit viel Zündstoff für Diskussionen bereithält. 

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