Nachschub: Von der Spieluhr bis zur Vermählung

Juni 28, 2017























Meine Regale füllen sich wieder einmal mit wunderbaren Büchern. Zumindest kann man dies auf den ersten Blick so sagen. Äußerlich wird es in der nächsten Zeit dank dieser neuen Lektüren recht blumig. Was sich dahinter verbirgt, darauf bin ich allerdings ebenso sehr gespannt, denn das ein oder andere Buch könnte mich sicherlich wieder einmal überraschen. Ganze acht Bücher möchte ich euch gerne vorstellen, die ihren Weg als Rezensionsexemplar oder Spontankauf zu mir gefunden haben.

"Die Spieluhr" von Ulrich Tukur Passend zum Beitragsnamen beginne ich mit diesem schönen Roman. Tatsächlich habe ich das Buch als Mängelexemplar ergattern können. Bereits des Öfteren bin ich im Internet darauf aufmerksam geworden, konnte mich aber nie wirklich durchringen es zu kaufen. Als ich dann spontan reingelesen habe, war der Wiederstand schon quasi zwecklos. Ich hoffe natürlich, dass ich das Buch schneller lesen werde, als ich es gekauft habe.

"Die Melodie meines Lebens" von Antoine Laurain Merkwürdigerweise habe ich bis vor Ankunft des Rezensionsexemplars die ganze Zeit gedacht, der Titel laute "Die Melodie meines Herzens". Vielleicht gar nicht so abwegig, denn der Autor schreibt eben Herzensgeschichten, die den Leser irgendwie mitreißen und eine gewisse Leichtigkeit hinterlassen. Bereits seine anderen Bücher konnten sich bei mir ein Plätzchen in den Regalen ergattern, daher konnte ich auch bei seinem neuen Buch nicht wiederstehen. Dieses erscheint allerdings offiziell erst am 12. September.

"Val di Non" von Oswald Egger Ein Buch, welches mich sicherlich etwas fordern wird. Ich liebe es ja, wenn Autoren ganz neue Wege einschlagen, wen es darum geht, die Sprache zu verwenden und daraus ein Werk entstehen zu lassen. Als ich hier kurz reingeblättert habe, wusste ich, dass es hier in diese Richtung gehen wird oder gehen kann. Scheint abstrakt, aber dennoch ganz Besonders zu sein. Das Buch ist mir vielen Illustrationen versehen, welche natürlich ebenfalls als Blickfang dienen.

"Vermählung" von Curtis Sittenfeld Jane Austens Geschichten sind bekanntlich Klassiker. Jeder kennt wenigstens "Stolz und Vorurteil" und genau darauf bezieht sich auch dieser Roman. Es ist quasi eine "Nacherzählung" oder Neuinterpretation des Klassikers und verspricht eigentlich ganz unterhaltsam zu werden. Mit dem recht großen Umfang des Buches habe ich zwar nicht gerechnet, aber ich bin schon sehr gespannt darauf, wie der Autor diese recht schwierige Aufgabe meistert.

"Die Kapitel meines Herzens" von Catherine Lowell Ein weiterer Titel, der sich auf Klassiker bezieht, ist dieser hier. Die Protagonistin in dem Roman ist die 'letzte lebende Nachfahrin der berühmten Geschwister Bronte' und muss sich zudem auf familiäre Rätselsuche begeben. Kann durchaus gut werden, daher bin ich auch hier schon sehr gespannt auf die Lösung des Ganzen. Ich hoffe vor allem, dass die Geschichte nicht durch eine zu 'platte' Erzählweise, an Spannung oder Gefühl verliert. Auch hier ist der Erscheinungstermin erst etwas später, nämlich am 16. August.

"Milchschaumschläger" von Moritz Netenjakob, "Das Leben fällt, wohin es will" von Petra Hülsmann und "Museum der Erinnerung" von Anna Stothard
Diese letzten drei Bücher fasse ich zusammen, da sie alle Teil der gefüllten Tasche waren, die auf der LitBlog Convention verteilt wurde. Ehrlich gesagt haben mich die Titel ganz zu Beginn gar nicht wirklich angesprochen und wahrscheinlich hätte ich sie im Laden oder in den Onlinevorschauen gar nicht wirklich beachtet, allerdings scheinen sie ganz interessante Themen zu besprechen. Im "Milchschaumschläger" geht es um die Gründung eines eigenen Cafés und in "Museum der Erinnerungen" um die Auseinandersetzung mit einer problematischen Lebenssituation. Beides klingt laut Inhaltsangabe tatsächlich sehr gut, sodass ich den Büchern wohl eine Chance geben werde. "Das Leben fällt, wohin es will" ist der zweite Roman den ich nun von Petra Hülsmann besitze, leider habe ich aber auch ihr erstes Buch ebenfalls noch nicht gelesen. Mal sehen, ob es in nächster Zeit vielleicht doch noch spontan dazu kommen wird.

Würden euch spezielle Bücher der Neuzugänge ansprechen oder lest ihr ganz andere Genres?



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American Gods (American Gods #1) von Neil Gaiman

Juni 26, 2017








(Original: "American Gods and Anansi Boys"/ 2001) Harper Collins (William Morrow) Verlag: Bibliografie » , Übersetzer/in: -, 736 Seiten, gebunden, Englische Ausgabe  ★★ 4 Sterne 
Dt. Inhaltsangabe (Eichborn Verlag): "Als Shadow aus dem Gefängnis entlassen wird, ist nichts mehr wie zuvor. Seine Frau wurde getötet, und ein mysteriöser Fremder bietet ihm einen Job an. Er nennt sich Mr. Wednesday und weiß ungewöhnlich viel über Shadow. Er behauptet, ein Sturm ziehe auf, eine gewaltige Schlacht um die Seele Amerikas. Eine Schlacht, in der Shadow eine wichtige Rolle spielen wird ..."


MEINE MEINUNG | FAZIT

"´Good.´ Wednesday grinned. ´Too much talking these days. Talk, talk, talk. This country would get along much better if people learned how to suffer in silence.´“  S.49

Bei Geschichten von Neil Gaiman kann man sich eigentlich immer darauf verlassen, dass es ungewöhnlich wird. Hier begegnen wir Göttern in ihren verschiedenen Formen und Funktionen und gleichzeitig weiß man nie so ganz genau, welche Übergänge der Geschichte den Sinn zum Verständlichen oder zum Sinn überhaupt verlieren. 
Bereits das erste Kapitel hat mich auf zwei Arten angezogen. Einerseits hat mich die Thematik rund um die Götter und die Einbettung derer sehr fasziniert, besonders durch die Art wie Neil Gaiman sie darstellt und mit ihr spielt. Zum anderen hat mich vieles bereits an eine von mir geliebte Serie erinnert. Natürlich ist das bei anderen Lesern vielleicht nicht gegeben, dennoch würde ich durchaus sagen, dass die erste Begegnung oder Einleitung in das Buch gut geglückt ist. Durchaus merkt man aber auch bereits hier ganz schnell, dass vieles sehr skurril ist. Die Götter werden zunächst in separaten Sequenzen, die nicht auf den Protagonisten Shadow bezogen sind, vorgestellt und das auf eine Art, die für mich zunächst sehr befremdlich schien. Obwohl ich mit Gaimans Geschichten bereits vertraut war und wusste, dass er ganz eigene Einfälle hat, war ich zunächst etwas perplex. Das was mich wohl etwas "abgeschreckt" hat, war die sehr intensivierte Darstellung von sexuellen Anspielungen, Äußerungen und Verbildlichungen, die ich mir an der ein oder anderen Stelle gerne geschenkt hätte. Dennoch nehmen diese Teile im Großen und Ganzen doch einen recht kleinen Teil ein. Der Fokus liegt demnach eigentlich zunächst auf diesem Zusammensetzen von Puzzle-stücken. Was haben die verschiedenen Episoden miteinander zu tun? Mit persönlich gefiel die Umsetzung der "Vorstellungsrunde" der Götter. So näherte man sich durch die eigentliche Handlung rund um Shadow, immer mehr den Verbindungen an die restlichen mythologischen Aspekte an. Dadurch gab es einige etwas ausführlichere Passagen, die diese Entwicklung und die Suche nach Antworten des Protagonisten aufgreifen, aber eben auch knappe, zügige Kapitel, die den Schwung mit reingebracht haben.
In dieser Geschichte hat mich die Sprache dann allerdings etwas "ernüchtert" zurückgelassen. Obwohl mir viele Passagen wirklich sehr gut gefallen haben, gab es auch einige Textstellen, in denen ich mich gefragt habe, ob sie sich jemand überhaupt zweimal durchgelesen hat. Da gab es viele Dopplungen, die irgendwie nicht ganz gepasst haben und einige andere Stellen waren mir schlichtweg zu unausgereift. Dennoch gefiel mir aber andererseits die gesamte Figurenkonstellation ganz gut. Einiges scheint zunächst etwas losgelöst zu sein, entfaltet aber nach und nach die angestrebten Verbindungen. Es bilden sich Sympathien und Antipathien, welche ebenfalls auf das Spiel mit den Identitäten Bezug nehmen. So konnte ich persönlich, anfangs, absolut gar nichts mit der Figur der Laura anfangen, überraschenderweise war ich dann von ihr am Ende doch "positiv überrascht", in dem sie sehr viele verletzliche Aspekte des Lebens wunderbar aufgegriffen hat.

"And the ice times came and the ice times went, and the people spread out across the land, and formed new tribes and chose new totems: ravens and foxes and ground sloths and great cats and buffalo, each a beast that marked a tribe´s identity, each beast a god.“  S.319

Wer bereits andere Geschichten von Neil Gaiman gelesen hat, weiß auch, dass er gerne bestimmte Themen immer wieder aufgreift. Auch hier fielen mir Handlungsstränge auf, die man gut zu dem einen Autor in Verbindung setzt. So werden hier das Vergessen und das Erinnern stark in den Vordergrund gesetzt. Einige Dinge scheinen in der Schwebe zu hängen und man ist gezwungen sich auf das Erinnerungsvermögen des Protagonisten zu verlassen. Es ist also tatsächlich nicht so, dass der Leser alle Informationen auf einem Silbertablett bereitgestellt bekommt, sondern er muss sich die verschiedenen Zusammenhänge oft selbst erschließen.
Da ich diese Art des Autors sehr schätze und es wahnsinnig interessant finde, wie viel Einfluss diese Gefühle von "da war doch etwas, aber ich kann mich nicht komplett daran erinnert" haben, hat mich die Geschichte tatsächlich noch mehr in ihren Bann gezogen. Allerdings hab es wiederum auch Stellen, in denen ich das Gefühl hatte, dass sich das zum Ende hin manchmal zu sehr in einander verwoben hat und mir dennoch einige Unklarheiten geblieben sind. Das bezieht sich aber vielleicht auch vor allem auf die Möglichkeiten, die es in der Identität der Götter und deren charakterlichen Wechsel gibt. Die Geschichte liest sich demnach eigentlich auf mehrere Weisen. Als Leser wartet man natürlich auf den angedeuteten "Sturm", auf den Showdown. Dies sorgt für Spannung und hält den Leser sicherlich auf dieser Ebene gefangen. Dennoch finde ich, funktioniert das Buch eben noch auf einer anderen Ebene, solange man sich darauf einigermaßen einlässt. Vieles scheint wirklich sehr abwegig, da muss man sich einfach auch bewusst machen, dass das Buch eine "Fantasy"-Geschichte ist und eben auch mit gewissen Elementen rechnen muss, die sich von unserem "möglichen" Weltbild abgrenzen. Und dennoch gibt es auch viele (wieder einmal) weise Worte des Erzählers (den Autor soll man ja nie mit dem Text gleichsetzen), die einen mit der Frage nach Macht und Ruhm beschäftigen. Wie weit wird man gehen, um das Gefühl erlangen zu können, dass andere einen wertschätzen? Was würde man opfern, um für immer in den Köpfen der Menschen existieren zu können?

"All we have to believe with is our senses, the tools we use to perceive the world: our sight, our touch, our memory. if they lie to us, then nothing can be trusted. And even if we do not believe, then still we cannot travel in any other way than the road our senses show us; and we must walk that road to the end." S.112f.


So sehr die Geschichte sich auf "Fantasy"-Elemente bezieht und mit der Vielfalt der Mythologie und Göttersage spielt, so tiefgründig sind auch einige Botschaften dahinter. Der Leser wird sicherlich in eine ganz bizarre, eigene und meist blutige Welt entführt, in welcher ein besagter "Sturm" den Spannungsbogen ausfüllt. Unter anderem findet man aber auch sehr interessante geschichtliche Einbettungen, die auch die Ideologie der Götter näher erläutert und sich zudem mit den scheinbar unterordnenden Menschen beschäftigt. Die Macht über andere Kulturen steht somit ebenfalls als Thema im Vordergrund. Wer also gerne auf eine Geschichte mit klugen Worten und dennoch ausgefallenen Figuren und scheinbar unmöglichen Handlungssträngen hat, ist hier sehr gut aufgehoben.




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Tierchen Unlimited von Tijan Sila

Juni 20, 2017









(Original: "-"/ 2017) Kiepenheuer & Witsch Verlag, Übersetzer/in: - , 224 Seiten, gebunden (Pappband),  ★★ 3 bis 4 Sterne 
"Irreparabel unglücklich und extrem gut gelaunt. Tijan Sila erzählt in seinem turbulenten Debütroman »Tierchen unlimited« von einem Jungen im bosnischen Bürgerkrieg, seiner Flucht nach Deutschland und seinem Leben unter deutschen Neonazis. Und von den Tücken der Erinnerung.
Sarajevo in den Neunzigern: Die Stadt steht unter Beschuss. Wie erlebt ein Kind den Krieg? Das Comictauschen wird durch Granatenhagel erschwert, der Strom zum Computerspielen ist ständig knapp, und die amerikanischen Soldaten lassen sich nur mit gestohlenen Sex-Heftchen zum Basketballspielen überreden. Oft gefährlich, aber vor allem aufregend und niemals langweilig. Der junge Ich-Erzähler möchte bleiben, aber seine Eltern halten es nicht mehr aus und hoffen auf einen Neuanfang in Deutschland. Nach einer verstörenden Flucht in einem Autobus erreicht der Junge mit seiner Familie Rheinland-Pfalz. Seine neuen Freunde sind Neonazis oder wollen zur Polizei, oder beides. Auch seine Schulfreundin Sarah, mit der er zusammen Gewichte stemmt und erste erotische Erfahrungen sammelt, begegnet ihm Jahre später als Polizistin wieder. Als ein Neonazi ihn bei einem Liebesabenteuer nachts aus dem Bett prügelt, nimmt sie für ihn Rache, und weckt dadurch Gespenster seiner traumatischen Vergangenheit."


MEINE MEINUNG | FAZIT

"Sarah wollte Polizistin werden. Und zwar »schon immer«. Mein »schon immer« war die vage Vorstellung eines akademischen Daseins - ein Plan, der aufgeschoben werden musste, weil meine Eltern bei ihrer Einwanderung das Schulsystem nicht gekannt und sich auf die behördliche Schulempfehlung eingelassen hatten. Als sie erfuhren, dass mich diese Schulart nicht zum Studium qualifizieren würde, war das Geschrei groß, insbesondere meins. Schließlich hatte meine Mutter Theoretische Physik und mein Vater Bibliothekswissenschaft studiert.“  S.17

Ich muss zugeben, dies war wieder ein Buch, bei dem ich bis zum Schluss sehr zwiegespalten war. Zum einen haben mir die Thematik und auch die eigentliche Umsetzung sehr gut gefallen, andererseits hatte ich aber leider auch zeitweise beim Lesen das Gefühl, dass es nicht immer "mein Ding" gewesen ist.
Das Buch zeichnet sich durch eine einerseits direkte Ausdrucksweise in Bezug auf die Grausamkeiten im Krieg aus, ist aber teilweise so auf "edgy" getrimmt, insbesondere was diesen Zusammenhalt der Jungscliquen betrifft, dass mich das manchmal einfach von dem Buch entfernt hat. Ich weiß aber eben auch, dass das eine sehr starke subjektive Meinung ist, denn das Buch braucht genau diese Art und Weise auch eigentlich, um so funktionieren zu können, dass es eben eine Mischung aus Ernst und einer "Overdone"-Attitüde wird.
Der Protagonist erzählt von seiner Flucht aus dem Kriegsgebiet in Bosnien und gerät leider auch in Deutschland nicht zwingend immer an die "Guten". Er stürzt von einer unglücklichen Bekanntschaft zur nächsten, nur eine Freundin scheint hier den nötigen Halt zu geben, den er braucht. Auffällig hierbei ist aber immer diese gewisse Faszination, die der Protagonist dennoch auf alles und jeden hat, der seine Wege kreuzt und etwas Interessantes an sich hat. Das Buch ist dadurch auch durch sehr viele Personen geprägt, die mal auftauchen und wieder verschwinden. Aus einem "Werkstattgespräch" auf der LitBlog Convention hat der Autor sogar preisgegeben, dass in der anfänglichen Version sogar noch mehr Personen vorkamen, aber herausgestrichen wurden. Ich glaube das hat der gesamten Geschichte letztlich ganz gut getan. 
Tatsächlich wird nämlich durch die vielen Erlebnisse, aus beiden Zeitperspektiven, eine neue Geschichte daraus, die dem Protagonisten zum Ende hin sogar selbst eine gewisse Detektivarbeit abverlangt. Diese Entwicklung hat mich tatsächlich relativ überrascht und hat auch einen ganz guten Eindruck hinterlassen. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass sich einige vielleicht fragen, wieso das unbedingt mit eingebaut wurde. Es ist aber wirklich so, dass für mich diese Figur des Protagonisten einfach im Mittelpunkt stand und eben auch seine ganz eigene Denk- und Verhaltensweise. Daraus ergab sich auch in Hinblick auf seine Konflikte ein stimmiges Bild.

"Es gibt keine Einwanderung in meinen Erinnerungen; vielmehr findet mich Deutschland und schließt sich um mich wie eine Faust oder Kralle - doch das Bild einer vom Habicht ergriffenen Maus ist falsch, da ich vor Verzückung erstarrt bin, nicht vor Angst.“  S.77

In relativ gleichmäßigen Wechseln veranschaulicht der Ich-Erzähler also gezielt seine Vergangenheit und seine Gegenwart, die überwiegend durch Involvierungen mit Nazis geprägt ist. Man kann sich also denken, dass sein Leben, wenn man es liest, nicht gerade eines der erfreulichsten ist und dennoch schwingt immer so eine Unbekümmertheit mit, die ich manchmal gar nicht deuten konnte. Ich bin bei solchen Geschichten meist stärker fokussiert auf die Kapitel, die eben diese Herausforderungen beschreiben, das "sich Durchschlagen" auch der Eltern in Deutschland, um für seine Kinder eine bessere Zukunft ermöglichen zu können. Und für mich hat dies immer einen sehr bitteren Beigeschmack. Ich kann mich dann nicht so gut von den stark im Gegensatz stehenden "komischen" Elementen einnehmen lassen. So wird auf der Rückseite Feridun Zaimoglus Zitat angeführt: "Hart, mitreißend und wahr: an einem Tag weggelesen, schallend gelacht!"
Bei dem ersten Teil bin ich voll und ganz einer Meinung. Es ist hart und gleichzeitig mitreißend. Allerdings blieb dieses "schallend gelacht" irgendwie aus, auch wenn ich weiß, dass dies so beabsichtigt sein wollte. Ich glaube aber wie gesagt, das trifft einfach nicht ganz meinen persönlichen Geschmack; dass man versucht mit eine so ernste Erfahrung mit der entgegengesetzten Komik zu kontrastieren. Und dennoch hat das Buch für mich sehr viele Elemente, die sich sehr gut und auch sehr wichtig in den Vordergrund stellen. Natürlich wird hier nämlich auch thematisiert, dass es nicht immer einfach ist, aus einem bestimmten Kreislauf auszubrechen, sich von Dingen zu lösen, die einen förmlich festhalten und immer wieder runterziehen. Aber dies sollte nicht der eigene Maßstab für das Leben werden.

"Menschen erwachen in Sarajevo jeden Morgen mit dem Gedanken auf: ´Lieber Gott, lass mich heute nicht sterben. Ich bin zu jung. Ich habe Besseres verdient.´ Aber Tierchen haben keine Vorstellung vom Tod. In ihren Schädeln schwappt eine Mischung aus Jetzt und Ewigkeit hin und her." S.28


Ein Roman, der durch einen sehr speziellen Ich-Erzähler geprägt ist. Erzählt die Flucht aus dem bosnischen Bürgerkrieg, verschmilzt aber gleichzeitig zu einer gegenwärtigen Erzählung seiner Erlebnisse in seiner neuen Heimat Deutschland. Durch die teilweise "derbe" Sprache, war es nicht immer mein Fall, jedoch passt sie einfach gut in das eigentliche Konzept; daher muss man sich aufjedenfall darauf einlassen, um auch den Kontrast, aber auch das starke Zusammenspiel der beiden "Leben" des Protagonisten anzunehmen. Langweilig ist es durch die vielen verschiedenen und auch skurrilen Figuren, nicht, auch wenn man manchmal natürlich das Gefühl hat, dass sich alles etwas überspitzt anfühlt, wobei man sich auch durchaus bewusst wird, dass es diese Kreisläufe, in denen manche Menschen sich befinden, tatsächlich gibt. Daher einerseits durch die intensiven Kriegsschilderungen sehr ernst und interessant, aber eben durch die gewissen Eigenarten des Protagonisten unterhaltsam. Also eine Mischung aus scheinbar einfach und doch komplex.



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Neuerscheinungen Juli

Juni 18, 2017





Etwas kleiner als üblich, fällt auch wieder mein Neuerscheinungsbeitrag für den Juli aus. Zurzeit bin ich durch die Uni tatsächlich etwas "faul" geworden, was die gezielte Suche nach neuen Büchern angeht. Meist fallen mir diese dann sowieso in der Buchhandlung oder auf anderen Blogs auf und gelangen also glücklicherweise auch auf anderen Umwegen zu mir. Dennoch wollte ich euch nicht diese sechs Neuerscheinungen vorenthalten, die mir bei dem Durchstöbern der Verlagsvorschauen aufgefallen sind:

Wie immer gelangt ihr durch einen Klick auf den Titel, auf die jeweilige Verlagsseite und zu den dazugehörigen Informationen zum Buch

"Was man von hier aus sehen kann" von Mariana Leky, DuMont, gebunden, 18. Juli
Obwohl das Thema wohl gänzlich in eine andere Richtung gehen wird, hat mich der Klappentext doch sehr an "Der Freund der Toten" erinnert. Da ich das Buch mochte, konnte ich dieses hier demnach auch nicht gänzlich unbeachtet lassen. Es hört sich nach einer ganz interessanten Geschichte an, in der der Tod und der Traum wieder eng miteinander zusamenhängen und es sicherlich einiges an Redebedarf geben könnte. Eines der interessantesten Bücher im Juli für mich.

"Die schönsten Märchen" von Hans Christian Andersen, Penguin, Broschur ,10. Juli
Hierzu muss ich glaube ich gar nicht mehr soviel sagen. Andersens schönste Märchen in einem Band, das kann man sich immer mal gerne merken, ob als Geschenk oder für einen selbst. Obwohl ich solche Bücher lieber in gebundener Form habe, blieb es auf meinem Merkzettel - kann ja schließlich nicht schaden.

"Das Leuchten einer Sommernacht" von Ella Simon, Goldmann, Taschenbuch, 17. Juli
Das ist so ein Buch, das ich gerne auf meine Merkliste setze, bei dem ich aber immer sehr skeptisch bleibe, ob ich es tatsächlich lesen möche. Auf der einen Seite mag ich herzenserwärmende Geschichten, vor allem für Zwischendurch. Und eine Orginisation, die sterbenskranken Kindern ihre Wünsche erfüllt klingt nach einer eigentlich wunderbaren Sache. Da ist dann aber immer die mitschwingende Liebesgeschiche, die zu schnell zu kitschig werden kann. Vielleicht warte ich dann hier zunächst einmal einige Rezensionen ab. Für einen leichten Sommerabend wäre das Buch aber vielleicht gerade deshalb genau das richtige.

"Herzensräuber" von Beate Rygiert, blanvalet, Taschenbuch, 17. Juli
Ja, der Hund hat mich magisch angezogen. Ich bin da wohl der Marketingfalle und den Vorurteilen in die Falle getappt. Aber irgendwie hat mich die knappe Inhaltsanhabe: "Tobias’ Buchantiquariat läuft nicht besonders gut, noch dazu hat er gerade eine schmerzliche Trennung hinter sich. Als er im Urlaub einen liebenswerten spanischen Straßenhund aufliest, beschließt er kurzerhand, ihn mit nach Heidelberg zu nehmen. Wie sich herausstellt, hat Zola die Gabe, für jeden Menschen die richtigen Bücher zu finden – denn in jedem »Herzensräuber« erschnuppert er die Gefühle, die die bisherigen Leser darin hinterlassen haben." doch ziemlich schnell neugierig gemacht. Ein Hund, ein Antiquariat und beides miteinander vereint, kann wie auch bei dem oben erwähnten Buch schnell zu gewollt und kitschig werden, kann aber auch eine leichte Lektüre sein, die einen gut unterhält. Mal sehen, ob es bei mir einziehen wird...

"Das Fünfzig-Jahr-Schwert" von Mark Z. Danielewski, btb, Taschenbuch, 10. Juli
Dieses Buch ist ebenfalls eines meiner heißersehnten Neuerscheinungen. Es scheint kurios, "total anders" und sehr kreativ zu sein. Dabei handelt es sich hier angeblich um eine Horrorgeschichte. Der erste Blick in die Leseprobe hat mich unfassbar neugierig gemacht. Das Buch würde ich wirklich sehr gerne lesen und mich von einer vielleicht ganz neuen Art von Geschichte überraschen lassen.

"The Hate U Give" von Angie Thomas, cbt, gebunden, 24. Juli
Im englischsprachigen Raum ist das Buch bereits bestens bekannt. Nun folgt auch die deutsche Übersetzung. "Die 16-jährige Starr lebt in zwei Welten: in dem verarmten Viertel, in dem sie wohnt, und in der Privatschule, an der sie fast die einzige Schwarze ist. Als Starrs bester Freund Khalil vor ihren Augen von einem Polizisten erschossen wird, rückt sie ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Khalil war unbewaffnet. Bald wird landesweit über seinen Tod berichtet" Wohl aktueller denn je (obwohl man das meistens immer wieder sagt, es bleibt aber schlichtweg immer aktuell) und von vielen gelobt, weil es sehr weise Aussagen enthalten soll. Ich hoffe nur, das Gelesene bewirkt bald auch mal etwas und wird nicht nur zwischen den Buchdeckeln wieder zugeklappt und vergessen. Auch dieses Buch steht bei mir ganz oben, was die "Vorfreude" auf die Neuerscheinugen betrifft.



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Wein und Haschisch von Charles Baudelaire

Juni 16, 2017











(Original: "-" verschiedene Titel, da einzeln abgedruckt / 1846-1861) Manesse Verlag, Übersetzer/in: Melanie Walz (aus dem Französischen), 224 Seiten, gebunden,  ★★ 4 Sterne 
"150. Todestag am 31. August 2017: Wer Charles Baudelaire ausschließlich als Verfasser der dunkel-brillanten Gedichte aus «Die Blumen des Bösen» kennt, lässt sich ein wahres Lesevergnügen entgehen. In seinen geist- und pointenreichen Essays vergleicht Baudelaire die unterschiedlichen – und nicht gleichermaßen empfehlenswerten – Wirkungen von Wein und Haschisch, gibt jungen Schriftstellerkollegen Tipps zum Umgang mit Gläubigern, schildert seine Begeisterung nach der ersten Aufführung einer Wagner-Oper in Paris oder erteilt Ratschläge, wie man das Glück in der Liebe finden kann. In dieser exklusiven Zusammenstellung in Neuübersetzung begegnet uns der feinsinnige Ästhet als ironischer Lebenskünstler, als hellsichtiger Literaturkritiker und als wortmächtiger Protagonist der Pariser Boheme. Gebunden in dunkelroten Samt mit Glanzfolienprägung, ist der Band zudem ein bibliophiler Hingucker."


MEINE MEINUNG | FAZIT

"Es gibt Männer, denen es die Schamesröte ins Gesicht treibt, eine Frau geliebt zu haben, sobald sie merken, dass sie dumm ist. Das sind eitle Besserwisser, dazu bestimmt, sich von den elendsten Disteln der Schöpfung zu ernähren oder von der Gunst eines Blaustrumpfs.“  S.11

Auch wenn der Titel des Buches dies vermuten lässt, geht es hier tatsächlich nicht ausschließlich um "Wein und Haschisch" und deren Vor- und Nachteile. In diesem wunderbar gestalteten Buch, gibt es insgesamt sechs kurze klassische, wenn auch tatsächlich recht erfrischende Essays von Charles Baudelaire zu bestimmten Themen, die ihn seinerzeit durchaus beschäftigt haben. Darunter findet sich zum Beispiel ein Kapitel zu den "Maximen über die Liebe", einige "Ratschläge an junge Literaten", das auf dem Titel genannte Thema "Wein und Haschisch", aber auch Überlegungen zu der Frage "Was uns das Spielzeug lehrt", wie auch zwei Ausflüge in die Künste, sprich eine kurze Besprechung Gustave Flauberts "Madame Bovary" und auch Richard Wagners "Tannhäuser"
Die jeweiligen Kapitel sind alle recht kurz, bis auf seine Ausuferungen zu Richard Wagners musikalischen Leistungen, die wohl den größten Teil des Buches einnehmen.
Im Großen und Ganzen muss ich wirklich sagen, dass mich das Buch sehr gut unterhalten hat. Charles Baudelaire ist irgendwie eine Kunstfigur für sich und das wird auch aus seinen Texten deutlich. Natürlich veröffentlichten auch andere Schriftsteller bereits Essays, die spitzzüngig waren und die sicherlich ordentlich Kritik an Teilen der Gesellschaft ausgebreitet haben, dennoch hat Baudelaire in seinen Texten einen ganz angenehmen Ton, den man besonders in der heutigen Zeit sicherlich mit einem sehr großen Augenzwinkern aufnimmt. Natürlich schreibt er sich an der ein oder anderen Stelle etwas in Rage, wenn es darum geht, dass die Musik Richard Wagners seiner Meinung nach nicht stark genug gelobt wird und sicherlich hatte dies für ihn eine wichtige Bedeutung, dies offenzulegen und auch die von ihm kritisierten Schreiber des Feuilletons "zurechtzuweisen". Liest man diesen Text aus heutiger Sicht, so musste ich wirklich ein wenig schmunzeln. Auch wenn mir das Stück selbst nicht ganz geläufig ist, so kann man sehr gut nachvollziehen, wie Baudelaire sich fühlt. Man selbst hat schon oft versucht eine unberechtigte Kritik zu entkräften und hat sich bemüht jegliche Argumente dafür vorzubringen. So kann es in diesem konkreten Fall vielleicht an der ein oder anderen Stelle etwas "zäh" sein, wenn man nicht genau weiß, wie das Stück selbst ist, aber seine Herangehensweise und Argumentation allein ist sehr unterhaltsam und durchaus lesenswert.

"Ich werde die Nachteile des Haschisch erörtern, deren geringster der ist, dass es antisozial wirkt, und das obwohl es ungekannte Reserven an Wohlwollen im Herzen oder eher im Gehirn des Menschen offenbart. Der Wein hingegen ist zutiefst menschlich, fast wage ich zu sagen, ein wahrer Draufgänger.“  S.54

Die etwas kürzeren Kapitel, die sich auf alltägliche Umgänge, wie die Liebe oder scheinbar banale Dinge, wie Spielsachen konzentrieren, sind ebenfalls wunderbar erfrischend, weil sie tatsächlich ganz selbstverständliche Überlegungen wieder an die oberste Stelle setzen und man sich fragt, wieso nicht jeder diese Ansichten teilt und sich einfach an den Dingen erfreut, an denen man sich erfreuen soll, wie eben den Spielsachen. Man ertappt sich dabei, dass man auch selbst immer gehört bekam "das Spielzeug bekommst du, wenn du alt genug bist, damit du es nicht direkt kaputt machst". Es sind wie gesagt alltägliche Situationen, denen Baudelaire ebenfalls Aufmerksamkeit schenkt und es in teils humorvolle, teils spitzzüngige Kommentare und Äußerungen verpackt. 
Und auch seine Exkurse zum Thema "Wein und Haschisch", wie auch der Betrachtung des Romans, der den Ehebruch skandalös darstellen soll, "Madame Bovary" sind sehr lesenswert. 
Man kommt als Leser natürlich nicht drum herum, dass Charles Baudelaire einem seine Meinung förmlich aufdrängen möchte und davon ausgeht, dass alle anderen falsch liegen, wenn sie sich entgegengesetzt doch vom Haschisch berauschen lassen möchten, aber dennoch weiß man mit der nötigen Betrachtung aus heutiger Zeit mit diesem Stil umzugehen. Ich persönlich lese gerne "klassische" Essays, die sich stärker auf die damalige Zeit stützen und nicht nur allgemeine Gedanken des Schriftstellers preisgeben, sondern sich eben gezielt auf die Gegebenheiten beziehen, mit denen man sich damals auseinandersetzen musste. Wer genügt nicht welchen Anforderungen? Was gilt als verpönt? Wo muss die Gesellschaft aufgerüttelt werden? Alles sehr subjektive Ansichten, aber hier durch Baudelaires Persönlichkeit ganz gut in Szene gesetzt. Zudem kommt man natürlich auch nicht an der ironischen und strikten Aufteilung des "Guten" und "Bösen" herum, welches in seinen Essays immer mitschwingt.

"In einem großen Warenhaus gibt es Spielzeug von derart bemerkenswerter Fröhlichkeit, dass ich es einer schönen bürgerlichen Wohnung jederzeit vorziehen würde." S.77


Sechs sehr unterhaltsame Essays von Charles Baudelaire, die eine ganz interessante Abwechslung hinsichtlich ihrer Thematik bieten. Nicht nur die gesellschaftlichen Normen und Interessen werden abgedeckt, sondern auch die Liebe, das Schreiben und die Künste, die er so schätzt und seiner Meinung nach ungerecht beurteilt werden oder zu wenig Lob erlangen. In relativ kurzen Kapiteln trifft der Leser auf einen Essayisten, der spitzzüngig, mit einer guten Portion Ironie und einer sehr festen Meinung zu seinen Aussagen steht. So sehr er sich mit inbrünstiger Leidenschaft für seine Standpunkte in Rage reden kann, so unterhaltsamer und interessanter für den Leser. Ebenfalls wieder hilfreich: das im Anhang angeführte Nachwort, das genaueres zu Baudelaires Person selbst erläutert. Für mich eindeutig ein tolles Buch, das nicht nur von außen glänzt.


Vielen Dank an den Manesse Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!



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Das letzte Bild der Sara de Vos von Dominic Smith

Juni 14, 2017





(Original: "The Last Painting of Sara de Vos" / 2016) Ullstein Verlag, Übersetzer/in: Sabine Roth (aus dem Englischen), 352 Seiten, gebunden,  ★★★(★) 3 bis 4 Sterne 
"Sara de Vos ist 1631 die erste Malerin, die in die Meistergilde in Amsterdam aufgenommen wird. 300 Jahre später ist nur noch ein einziges ihrer Gemälde erhalten. Das Bild hängt über dem Bett eines reichen, etwas ruhelosen New Yorker Anwalts. Ohne böse Absichten kopiert eine junge Australierin das Bild. Doch die Kopie wird in Umlauf gebracht, mit erschütternden Konsequenzen. Jahrzehnte später treffen die beiden Bilder, die Fälscherin und der Anwalt noch einmal aufeinander …"


MEINE MEINUNG | FAZIT

"Sara hört ganz auf zu malen, bis es Winter wird und die Grachten vereisen. An einem blaugrauen Nachmittag sieht sie oberhalb eines zugefrorenen Ausläufers der Amstel ein junges Mädchen durch ein verschneites Dickicht stapfen. Irgendetwas an dem Licht, an der Art, wie das Mädchen aus dem Wald tritt, treibt sie an die Staffelei. Ein Stillleben zu malen ist ihr mit einem Mal unvorstellbar.“  S.36

Nicht zuletzt durch den großen Fälscher-Skandal von Betracci bin ich wahnsinnig neugierig auf alle Geschichten, seien sie fiktiv oder real, die sich mit dieser Art der Kunstszene befassen. Auch in "Das letzte Bild der Sara de Vos" spielt das Fälschen von Bildern eine entscheidende Rolle, jedoch nicht ganz so, wie ich es zunächst erwartet hatte. 
Eingeführt wird man in die Upper East Side im November 1957, gleichzeitig wird man vertraut gemacht mit den Protagonisten Marty de Groot. Ziemlich schnell wird auch erläutert, dass sich alles um dieses eine Bild der Malerin aus Niederlanden drehen wird. Ich persönlich war sofort gefesselt von dem Tempo und der Thematik, die der Roman hier vorgibt. Im Wechsel verschiedener Kapitel lernt man dann auch noch die Protagonistin und Restauratorin Elenor (Elli) kennen (zusätzlich tritt nun auch der Sprung ab 1957 und 2000 auf). Grundsätzlich eine ganz gute Herangehensweise, da sich beide Figuren im weiteren Verlauf auch hinsichtlich ihrer Emotionen immer näher kommen. Durchbrochen, aber auch zusätzlich ergänzt wird das Ganze noch durch Einschübe, die das Leben der Malerin in den Niederlanden um 1636 anführen. Auch hier hat mir der Wechsel gut gefallen, da die Entwicklungen in der Geschichte auch immer mit den Geschehnissen der Vergangenheit zusammenhängen und sich letztlich zu einem schönen, träumerischen Ganzen ergeben.
Leider blieb mir am Ende aber der Charakter des Marty de Groot etwas abseits liegen. Zu ihm viel es mir schwer den Zugang zu finden, der nötig gewesen wäre, um tatsächlich nicht nur den Kunstaspekt der Geschichte, sondern auch den zwischenmenschlichen Aspekt gänzlich "genießen" zu können. Durchaus stellt man nämlich während des Lesens fest, dass der eigentliche "Kunstanteil" natürlich nicht verschwindet, allein durch die Kapitel, welche das Leben der Künstlerin thematisieren, aber dennoch an zweite Stelle tritt und die Verbindung der Leben der beiden Betroffenen in den Vordergrund gerät. Ob einem dies so zusagt ist meiner Meinung nach wirklich eine sehr subjektive Angelegenheit. Ich persönlich war an einigen Stellen dadurch eher "enttäuscht", dass sich einiges etwas banal angefühlt hat, was gewisse Handlungsverläufe betrifft.

"Es war wichtig, das schien die Botschaft, zwischendurch mit den eigenen Gedanken alleine zu sein, sich einfach irgendwo auf eine Bank zu setzen und die Welt eine Stunde lang ihren lärmenden Gang nehmen zu lassen.“  S.61

Was ich an dem Roman allerdings wirklich sehr schätze, sind die doch vielen Bezugnahmen zu den damaligen Malerinnen der Niederlande und der Kunstszene dahingehend im Allgemeinen. Tatsächlich hat mich "Sara de Vos" so neugierig gemacht, dass ich nachschlagen musste, ob es sie wirklich gegeben hat. Die schöne Verschmelzung der realen Fakten über die Lukasgilde und deren weibliche Mitgliederinnen mit der fiktiven Fokussierung auf diese eine Künstlerin ist durchaus gut geglückt. Auch die fiktiven Beweggründe für die Erstellung der Bilder wurden meiner Ansicht nach sehr schön ausgelegt. 
Tatsächlich muss ich also sagen, dass mich die "versteckte" Geschichte, die sich zwischen den Protagonisten abspielt etwas weniger packen konnte, als die zuerst auch im Fokus stehende Thematisierung der Kunstfälschungen und der eben angeführten Kapitel über die Malerin Sara de Vos selbst. Wer sich aber vielleicht von Anfang an auf beides einlässt, wird auch sicherlich mit der zwischenmenschlichen Geschichte "zufrieden" sein. Denn tatsächlich greift dieser Teil ganz gut auf, was eine Überflut an Besitz und das Fehlen von einem richtigen Sinn des Alltäglichen in Menschen auslösen kann.

"Die Einladung, die Ausstellung für die Art Gallery of New South Wales zu kuratieren, sollte der erste Schritt nach vorn sein, ihr helfen, neue Bekannte und Freunde zu finden, Anschluss an die Welt der Lebenden. Stattdessen führte der Weg direkt zurück in die Trümmerlandschaft von früher." S.87


Ein Roman, nicht nur über die Vielfalt der Kunst und auch deren Schattenseite, wie der Kunstfälschungen, sondern auch über das Suchen und Finden von persönlichen Sehnsüchten.
Für mich war dieser zwischenmenschliche Teil zwar, als direkte Kapitel, zu unausgereift oder schlicht zu uninteressant, weil es schlichtweg zu gewollt wirkte, dennoch hat der Roman durchaus einen besonderen Charme und unterstreicht auch die wichtige Präsenz der weiblichen Künstlerinnen, in dieser, wie auch in der vergangenen Zeit. Ebenso haben die gezielt kunstbezogenen Kapitel eine wirklich träumerische Atmosphäre und sind auch hinsichtlich ihrer eigentlichen Thematik wirklich spannend und interessant zu lesen.


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Madame Bovary von Gustave Flaubert

Juni 10, 2017



(Original: "-" / 1857) Penguin Drop Caps, Übersetzer/in: Lydia Davis , 413 Seiten, gebunden, Englische Ausgabe  ★★ 4 Sterne 
Dt. Inhaltsangabe (Anaconda Verlag): "Die junge, ein wenig verträumte Emma Rouault heiratet den biederen Landarzt Charles Bovary in der Hoffnung auf ein beschauliches Leben. Schon bald aber nimmt ihr die erdrückende Enge dieser Ehe die Luft zum Atmen. Erst flüchtet sie sich in die berauschende Scheinwelt der Literatur, dann gibt sie den Verheißungen nach, findet aber auch in ihren Abenteuern mit wechselnden Liebhabern nicht, was sie sucht. Ihr Leben gerät aus der Bahn. Der Roman führte nach seinem Erscheinen 1856 zum Skandal. Mitreißend und brisant ist er bis heute geblieben."


MEINE MEINUNG | FAZIT

"And Emma tried to find out just what was meant, in life, by the words bliss, passion, and intoxication which had seemed so beautiful to her in books.“  S.40

"Bedauern" und "Mitleid" sind wohl die Schlagworte, die mich bei diesem Buch wohl am häufigsten und längsten begleitet haben. Die Geschichte rund um Charles und Emma Bovary ist nicht gerade eine, die einen glücklich stimmt. Zudem kann ich durchaus verstehen, dass zur Zeit des Erscheinens, einige Aspekte als skandalös galten.
Emma Bovary ist als Protagonistin schwer einzuordnen. Wirklich sympathisieren kann man nicht mit ihr, weil sie den Leser hinsichtlich seiner Geduld sehr fordert. Gleichzeitig versteht man ihren Leidensweg aber durchaus. Sie ist jung, ihre Zukunft möchte sie als abgesichert ansehen, die Liebe ist ein wichtiger Aspekt, den sie nicht missen möchte, von dem sie aber bisher nur aus Büchern ihr Wissen erahnen konnte. Daher hat es mich als Leserin auch nicht überrascht, dass ihre Figur sehr sprunghaft und sehr "unreif" wirkt. Man muss sich aber an vielen Stellen wirklich zusammenreißen, um nicht immer augenrollend an ihren Eskapaden teilzunehmen. Für mich war dies wirklich das Herausforderndste. Allerdings ist der Verlauf zum Ende hin von Flaubert sehr raffiniert umgesetzt. Denn obwohl man Emma in vielen Teilen nicht nachvollziehen möchte, kann man sich der Tragik zum Schluss nicht entziehen, sodass man sich gezwungen fühlt mit den Figuren zu leiden und sich rekapitulierend noch einmal mit den verschiedenen, manchmal vielleicht auch kleinen Schlüsselmomenten auseinanderzusetzen und die Figuren so hinsichtlich ihrer Gefühle und Handlungen zu hinterfragen.
Jegliche Figuren abseits von Charles und Emma Bovary hatten eine ganz spezielle Funktion, die ich auch notwendig für die Verläufe fand. Allerdings fielen mir einige Passagen zum Schluss hin, besonders einige Dialoge, etwas zu langwierig aus. 

"What exasperated her was that Charles seemed unaware of her suffering. His conviction that he was making her happy seemed an idiotic insult, and his certainty of this, ingratitude." S.126

Auffallend wichtig und interessant fand ich in Flauberts Roman auch die gesamte Darstellung der gesellschaftlichen Ansichten. Viele Funktionen der Familienmitglieder werden unter neuen Aspekten besprochen, zum Beispiel spielt auch der fortschrittliche Ansatz Rousseaus in Hinblick auf die Kindererziehung eine leitende Rolle. Und tatsächlich stach für mich diese damals sehr normale Art, die eigenen Kinder kaum zu sehen, sondern sie von "Hausmädchen" aufzuziehen, sehr heraus. Dennoch wird auch hier der Konflikt dessen aufgegriffen und so mit den Protagonisten in eine deutliche innere Zerrissenheit gebracht. So "nervig" mir demnach manchmal die Handlungsweisen von Emma erschienen, so spannend war es zu sehen, wie man sich als Leser ihren Gefühlsweg interpretiert. 
Als bloße Handlung ist Madame Bovary daher vielleicht recht plump. Immerhin verrät die Inhaltsangabe beinahe die ganze Misere, in der sich das Ehepaar Bovary befindet. Aber auch hier findet man viele Anzeichen wirklich wichtiger Denkmuster der Gesellschaft und der verschiedenen Rollen, die wir uns Menschen auch selbst aufbürden.
Die Liebe ist in dem Roman natürlich ebenfalls Hauptakteur. In vielen Facetten, Wendungen und Leidensmomenten tritt sie auf. Leidtragender war für mich natürlich immer Charles Bovary selbst, der sich für seine Familie "aufopfert", jedoch scheinbar schon von Anbeginn dazu bestimmt war, kein sorgenfreies Leben zu genießen. Viele seiner Handlungen sind der Grundstein für neue Wendungen, die die Geschichte interessant halten. Zudem empfand ich viele Passagen, die ihn und seinen Mutter oder sein Pech betrafen, beinahe schon als komisch. Das stand für mich zunächst im Widerspruch, aber ich konnte am Ende das Gefühl nicht abschütteln, dass der Roman, an einigen Stellen, von einer absurden Komik begleitet wird.

"From that moment on, her life was no more than a confection of lies in which she wrapped her love, as though in veils, to hide it.“  S.319


Viele Leidenswege und die Suche nach der Liebe, wie auch der eigenen Aufgabe im Leben dominieren den Klassiker. Charles und Emma Bovary stellen wunderbare Gegensätze dar, die den Roman interessant, wenn auch oftmals traurig gestalten. Paradoxerweise gab es für mich viele Stellen, die diese Tragik ins Ironische oder Komische gewendet haben. Dennoch setzt sich der Roman meiner Meinung nach, gekonnt mit vielen gesellschaftlichen Fragen auseinander und dem damit verbundenen Streben nach der Zufriedenheit seiner selbst. Liest sich grundsätzlich mit Interesse und vielen Wendungen, an der einen oder anderen Stelle schien mir aber einiges zu Längen geneigt zu haben. Dennoch für mich ein Roman, der die Facetten des Lebens und Scheiterns wunderbar aufzeigt und letztlich auch sehr bewegt.






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