Das Fünfzig-Jahr-Schwert von Mark Z. Danielewski

Juli 18, 2017






(Original: "The Fifty Year Sword"/ 2012) btb Verlag, Übersetzer/in: Christa Schuenke (aus dem Englischen) , 288 Seiten, Taschenbuch★★ 4 Sterne 
"Eine Halloween-Party in Texas. Hier trifft die Näherin Chintana, verlassen und voller Groll, auf ihre niederträchtige Rivalin Belinda. Hier purzeln fünf Waisenkinder durcheinander, während ihre Sozialbetreuerin sich im Sessel lümmelt. Und hier beginnt der Geschichtenerzähler, ganz in Schwarz, mit einer unheimlichen Kiste zu seinen Füßen: »Ich bin ein böser Mann, mit einem finsteren Herzen …«"


MEINE MEINUNG | FAZIT

" " 'Was ist denn eigentlich die Überraschung dieses Jahr?
         
              "Und achselzuckend die Sozialarbeiterin,
      schon im Begriff, hinter den Waisen herzustapfen-

   " 'Einfach bloß ein 

                       " 'Geschichten-
                                 
                                         " 'erZähler.' “  S.50

"Das Fünfzig-Jahr-Schwert" war zunächst nicht als Buchprojekt geplant. Laut einigen Onlinequellen war dies zunächst eine, für Halloween angedachte 'Schatten-Show', die sich erst nach und nach als Buchprojekt fortgesetzt hat. Natürlich scheint die, etwas gruselig anmutende Thematik hier durch, allerdings habe ich zum Schluss tatsächlich das Gefühl gehabt, dass es in schriftlicher Form etwas seine Wirkung verliert, wenn man bedenkt, wieviel so eine inszenierte Idee ausmacht. Zugute halten muss man den drei kreativen Köpfen des 'Atelier Z', welche die im Buch sehr häufig auftretenden Näharbeiten beziehungsweise Nähabbildungen beisteuerten, dass sie gute Arbeit geleistet haben, um dem Text dennoch eine ganz besondere Atmosphäre zu verleihen und den Aspekt einer Gruselgeschichte hervorzuheben.
Wie man vielleicht bereits an den ausgewählten Zitaten erkennen kann, ist das Buch keineswegs 'normal', es spielt mit der Sprache, den Wörtern und ihrer Bedeutung an sich und folgt keinem strikten Weg. Viele Begriffe fallen, die scheinbar falsch geschrieben sind, die man aber im Kontext ganz gut ersetzen kann und die so eine beinahe zweite Erzählebene eröffnen. Wobei man durch das schon recht wirre Konzept bereits unfassbar viele Erzählstimmen vor sich hat. Ganz zu Beginn findet der Leser, vielleicht um sich etwas besser orientieren zu können, auch eine kurze "Einleitung" für das folgende Leseverfahren. Die Geschichte setzt sich aus, wie erwähnt wird, fünf Erzählern zusammen, die durch unterschiedlich markierte Farb-Anführungszeichen von einander separiert werden. Man wird hier tatsächlich mit einer ganz eigensinnigen Art und Weise der Darstellung einer Geschichte konfrontiert. 
Ich selbst habe mich oftmals dabei ertappt, wie ich versucht habe, in den ganzen ineinander übergreifenden Zitaten eine versteckte Botschaft oder vielleicht sogar eine etwas sinnvollere Aussage zu entdecken, denn tatsächlich bleibt der Leser das ein oder andere Mal etwas verblüfft zurück.

" "er hatte
beide sie mit hineingezogen, mehr noch,
nun hatte er
                          "sie
                                 "-
                                        "verantwortlich gemacht. “  S.86

Diese Verblüffung entsteht vorwiegend dann, wenn man das Gefühl bekommt, dass man nun die folgenden Handlungen, die Erzählungen versteht. Man nähert sich einem finalen Showdown und dann, auf einmal zerfällt alles wieder in sich zusammen und man steht vor einem merkwürdig konstruierten Gebilde von Sätzen und Wörtern und weiß gar nicht genau, ob man nun etwas überlesen hat, ob man den 'Sinn des Autors' nicht ganz versteht, oder ob der Text so experimentell ist, dass es keine wirkliche Lösung für dieses Gefühl gibt.
Es gibt durchaus viele Aussagen, welche ich sehr stimmig und auch wahr fand, soweit das möglich ist. Auch wenn alles irgendwie abstrakt erscheint, und alles eine Symbolik beinhaltet, gibt es Passagen, die einen tatsächlich tiefer in den Text und in das Geheimnis des Erzählers ziehen. Ich habe auch hier gemerkt, dass ich unbedingt wissen wollte, was es nun mit den Schwertern, dem Koffer und den Waisenkindern auf sich hat. Ebenso verführen natürlich auch die zusammenhängenden Nähereien dazu, weiterzublättern. Ich kann aber auch nicht leugnen, dass mich ganz zum Schluss eine Art Ratlosigkeit ergriffen hat. Das Ende war für mich so abrupt und konfus, dass ich schlichtweg sagen muss, dass man sich als Leser auf diese 'Verrücktheit' des Textes einlassen muss, ansonsten wird man wenig Freude daran finden. Vielleicht liegt der Erfolg des Verständnisses des Textes einfach darin, dass man sich als Leser selbst jegliche Interpretation frei wählt und alle möglichen Andeutungen so dreht und wendet, wie sie für einen Sinn ergeben.
Zudem hat mich diese sehr freie Art und Weise des Romans zum Schluss auch sehr an Shane Jones´ "Thaddeus und der Februar" (engl. "Light Boxes") erinnert, was dazu geführt hat, dass ich es letztlich noch ein wenig mehr mochte. Es entzieht sich jeglicher Vorstellung eines Romans und verlangt dem Leser sehr viel Offenheit ab.

" " 'Viel schlimmer noch als die
                                                     " ' versteinerten
Schatten und Fallenden
                                            " 'Töne war die
Verfielfachung und
                                       " 'Abverfielfachung
meiner eigenen Einsamkeit,
                                                 " ' die mich rasch
an den Rand der Verzweiflung trieb; dort
erst, und das
                            " 'ist echt ganz passend, fand
ich endlich Den
                              " ' Mann Mit
                                                       " 'Keinen
                                                                             " 'Armen.   " S.146



Wer sich ungern auf so ein experimentelles Leseerlebnis einlässt und sich eine 'normale gruselige' Geschichte zu Halloween erhofft, der sollte nicht zwingend zu dem Buch greifen. Möchte man aber ein Buch entdecken, was voller Geheimnisse steckt und so in sich verwoben ist, dass man sich ein wenig darin verliert und welches ein wenig, den Anschein von 'Unsinnigkeit' macht, der wird hier einige Gedanken- und Lesegänge durchleben, die das Buch gleichzeitig zu etwas Besonderem machen und das man vielleicht gerade aufgrund der Verwirrungen lieben wird.




























Vielen Dank an den btb Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!


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