Das Amerika der Seele von Karl Ove Knausgård

November 28, 2016



(Original: "Sjelens Amerika" / 2013) Luchterhand, Übersetzer/in: Paul Berf und Ulrich Sonnenberg, 496 Seiten, gebunden, Rezensionsexemplar ★★★()☆ 3 bis 4 Sterne
"Warum schreiben, warum malen, warum fotografieren? Warum lesen, warum Gemälde betrachten, warum in Galerien gehen? Kann es dabei um etwas anderes gehen als um die großen Fragen des Lebens? Und was hat diese Auseinandersetzung mit dem alltäglichen Leben zu tun?
Das Amerika der Seele ist eine Sammlung von Texten, die einen weiten Bogen spannen: von der Gnade, die darin liegen kann, der Beerdigung des eigenen Vaters beizuwohnen, bis zur Bedeutung der Einsamkeit in den Bildern der US-amerikanischen Fotokünstlerin Francesca Woodman. Vom Massaker auf Utøya bis zu Knut Hamsuns missglücktem Meisterwerk »Mysterien«."


MEINE MEINUNG | FAZIT 

"Auch in uns gibt es etwas, was kontinuierlich entsteht und einstürzt und dessen Bewegungen niemals aufhören, solange wir leben: Gemeint sind die Gedanken.“  S.15

Normalerweise kann ich mich mit Essays ganz gut anfreunden und auch mit sehr philosophischen Texten beschäftige ich mich ganz gerne. Aber mit dieser Lektüre hatte ich so meine kleinen Schwierigkeiten. Vielleicht liegt es aber auch überwiegend daran, dass ich Karl Ove Knausgards restliche Werke nicht kenne und mich unabhängig von seiner Popularität als Autor nicht immer ganz mitreißen lassen konnte. Die ersten Essays begannen für mich ganz vielversprechend und auch zwischendurch gab es Kapitel, die mich gut unterhalten und hinsichtlich ihrer philosophischen Überlegungen ein wenig gefördert haben, allerdings gab es auch Kapitel mit denen ich wirklich nichts oder sehr wenig anfangen konnte. Da wäre zum einen sein wirklich sehr ausführlicher Essay und Namensträger des Bandes "Das Amerika der Seele", welcher sich mit einem Werk oder Werken des in Norwegen bekannten Schriftstellers Knut Hamsun befasst. Obwohl ich mich recht schnell für neue Lektüren oder Autoren begeistern lassen kann, hat mir Knausgards Essay tatsächlich ein wenig die Begeisterung für den Autor Hamsun entrissen. Diese lange Auslegung einzelner Passagen, ohne dass man (vielleicht speziell als deutscher Leser) weiß, wie relevant die Werke Hamsuns sind, lassen einen irgendwie abschalten und ich habe mich etwas anstrengen müssen dieses Kapitel überhaupt vollständig zu Ende zu lesen. Wiederum andere Kapitel konnten meine vollste Aufmerksamkeit erlangen, wie das Kapitel um den Amokläufer Anders Brevik oder aber auch die Schwierigkeiten, die sich aus den verschiedenen Übersetzungsmöglichkeiten der Bibel ergeben. Die Themen, sprich die Essays sind wunderbar vielfältig, sorgen aber auch dafür, dass man sich vielleicht nicht für alles gleichermaßen interessiert (zumindest zum jetzigen Zeitpunkt).

"Der Mond hat für sie alle geschienen. Vor Kurzen schaute ich zu ihm hoch, als ich auf dem Hof stand, und dachte, dass Dante denselben sah. Höhlenbewohner und Savannnenmenschen, Jäger und Sammler, Bauern und Waldleute. Die Ägypter, Griechen, Römer, Indianer. Meine Ahnen. Ich selbst mein Leben lang, mit drei, neun, achtzehn, siebenunddreißig. Jede Nacht hing er da oben, der Mond.“  S.171

Ein weiterer Punkt, der mir zunehmend in den Sinn kam, war tatsächlich die Diskrepanz die zwischen mir, als Nicht-Knausgard-Leser und seinem vielleicht sonst sehr beliebten Schreibstil herrschte. Dies bezieht sich vor allem auf Essays, die zwar lustig gemeint sein könnten (auch hier in Kombination mit gewissen philosophischen Aspekten), die bei mir aber einfach nur den Drang ausgelöst haben, dass ich das Kapitel übersprungen habe. Dies geschah bei dem Essay "Der braune Schwanz", in dem sich Knausgard tatsächlich über mehrere Seiten darüber auslässt, was das Ausscheiden des Essens bei dem Menschen zu bedeuten hat und wie Tiere diese Notwendigkeit verrichten. Mag dem ein oder anderen vielleicht interessant erscheinen, ich allerdings konnte getrost darüber hinweg blättern. Zum Ende hin haben mir die Essays dann wieder deutlich besser gefallen. Dort geht es unter anderem um das Selbstbildnis, welches Menschen von sich haben und warum der Drang nach der Selbstdarstellung überhaupt so prägnant zu sein scheint. Tatsächlich findet man also wirklich viele sinnvolle und auch wertvolle Ansätze in den Essays, die vielleicht den Lesern, die bereits Knausgards andere Werke kennen umso besser gefallen. Für mich war es eine bunte Mischung aus guten und für mich persönlich nicht zwangsläufig nützlichen Essays, welche aber sicherlich im Gesamten, lesenswerte Überlegungen an den Tag legen.

"So gern ich auch sagen würde, dass mir Bach, Brahms, Beethoven, Mozart oder Schönberg gefallen, ich kann es nicht. Solche Musik lasse ich zwischendurch laufen, aber sie sagt mir nichts, ich könnte ebenso gut auf dem Küchenboden sitzen und der Spülmaschine zuhören.“  S.307


Achtzehn Essays, die thematisch unterschiedlich sind, sich aber stets an sehr philosophischen Grundgedanken orientieren. Der Fokus liegt deutlich und auch naheliegend, auf dem Menschen und seinen Stärken, Schwächen und seiner Psyche, aber auch auf vielen literarischen Bezügen. Einige Essays waren für mich eher entbehrlich, andere wiederum sehr lesenswert und wertvoll. Ein guter Ausgleich für viele Geschmäcker. Zusätzlich ist das Buch sicherlich etwas interessanter für alle, die sich bereits mit Knausgards anderen Werken beschäftigt haben.






2 Kommentare:

  1. Danke für die interessante Buchvorstellung. Ich werde erstmal mit "Sterben" testen, ob Knausgard etwas für mich ist, das liegt hier nämlich schon seit fast einem Jahr auf dem SuB, ich hoffe, dass ich 2017 dazu komme. Die Essay-Sammlung hört sich aber auch vielversprechend an.
    Liebe Grüße
    Thomas

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    1. Dann werde ich mal deine Lesefortschritte verfolgen und sehen wie es dir gefallen hat. Überlege nämlich immer noch, ob mir diese sechsteilige "Reihe" gefallen könnte oder nicht...


      Liebe Grüße
      Karin

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