Lieber Mr. Salinger von Joanna Rakoff

August 12, 2015





(Original: "My Salinger Year") von Joanna Rakoff,  Knaus Verlag, ★★★★★ 5 Sterne

"Von ihnen gibt es Hunderte: blitzgescheite junge Frauen, frisch von der Uni und mit dem festen Vorsatz, in der Welt der Bücher Fuß zu fassen. Joanna Rakoff war eine von ihnen. 1996 kommt sie nach New York, um die literarische Szene zu erobern. Doch zunächst landet sie in einer Agentur für Autoren und wird mit einem Büroalltag konfrontiert, der sie in eine längst vergangen geglaubte Zeit katapultiert. Joanna lernt erst das Staunen kennen, dann einen kauzigen Kultautor – und schließlich sich selber."
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"Wenn meine Kollegen die Namen in den Mund nahmen, die auf den Buchrücken standen, taten sie es mit ehrfürchtiger Flüsterstimme, denn für Freunde der Literatur waren es die Namen von Göttern." S. 15

Mit "lieber Mr. Salinger" hat es Joanna Rakoff geschafft, mich auswegslos zu begeistern. Ein Buch zu schreiben, in dem man von einem Jahr bei einer Literaturagentur erzählt, scheint zunächst nicht das vielleicht Innovativste zu sein, was die Menschen bewegen könnte. Dennoch erzählt Joanna Rakoff ihre Geschichte mit solch einer Vertrautheit, dass man das Gefühl bekommt, man höre seiner besten Freundin zu, was in ihrem Leben so passiert ist. Vorallem wenn es an die Passagen um Bücher geht, entfacht Rakoff ihren Schreibstil mit einer solchen Liebe zur Literatur, dass man darin versinkt. Ich persönlich habe ihr in so vielen Dingen zustimmen können und habe mich verstanden gefühlt. Der Schreibstil hat mich demnach sehr angesprochen und dafür gesorgt, dass ich Kapitel um Kapitel weitergelesen habe. Es ist keineswegs ein Buch, welches trocken den Büroalltag erzählt, sondern erzählt mit einer wunderbar ruhigen Atmosphäre, wie es ist, in der Literaturwelt Fuß zu fassen und das zu erreichen, wovon man geträumt hat. Ich fand es zudem wirklich interessant, rückblickend zu sehen, wie die Anfänge der Technik in Bezug auf die Computer und das Internet, ausschlaggebend für die Literaturbranche waren.

"Wir waren Einwegartikel, austauschbar in unseren Wollröcken und College-Krawatten, die Augen glänzend vor kindlicher Begeisterung für Bücher." S. 114

Besonders als Literaturblogger oder Literaturstudent ist dies wahrscheinlich ein sehr wertvolles Buch, welches zudem einen kleinen Einblick in die ganze Branche bietet, obwohl sich natürlich sicherlich auch vieles enorm verändert und weiterentickelt hat. Dennoch habe ich mir persönlich ständig viele Fragen gestellt, wenn Rakoff, eine für mich wichtige Aussage getroffen hat. "Wie finde ich den Einstieg in einen solchen Beruf?", "Sind Blogger nicht vielleicht sogar etwas im Nachteil, weil sich zum Beispiel die Verlage eher von diesem Umfeld unabhängige Mitarbeiter wünschen?". Es ist definitiv ein Werk, welches zum Nachdenken anregt, vorallem eben, wenn man sich selbst für die Literaturbranche interessiert. Leser, die davon eher keinen Nutzen ziehen können, kommen meiner Meinung nach dennoch nicht zu Kurz. Wie der Titel schon andeutet, wird viel auf die Werke von J. D. Salinger eingegangen. Da die meisten mindestens eines seiner Werke gelesen haben, denke ich ist es spannend zu sehen, wie Rakoff diese Texte in ihr Leben miteinbezieht, und dies obwohl sie erst spät auf seine Werke stößt.

"Ich war fast am Ende angelangt und spürte schon das Verlustgefühl, das sich einstellt, wenn ein großer Roman zu Ende geht. Bald würde ich mich von diesen Figuren trennen müssen."
S. 218

Man fiebert mit Joanna Rakoff mit, als wäre sie eine fiktive Person, die eine fiktive Geschichte erzählt, umso erstaunlicher ist es, sich dann bewusst zu machen, dass dieses Buch der Wahrheit entspricht. Für mich ist das Buch definitiv lesenwert. Ich hatte keinen Augenblick lang das Gefühl, dass ich keine Lust mehr hatte, das Buch in die Hände zu nehmen und es zu lesen, im Gegenteil. Auch wenn Joanna Rakoff in diesem Buch viele Details aus ihrem Leben preigibt, so merkt man die Liebe zu der Verbindung mit der Literatur. Trotz ihrer nicht sonderlich positiven finaziellen, wie gefühlsmäßigen Lage, erkennt man deutlich, dass wenn sie von Büchern und der Literatur spricht, sie das Gefühl von Leichtigkeit annimmt und dass sie über sich hinauswachsen kann. Genau das mochte ich so an dem Buch. Das Gefühl, dass man, wenn man etwas wirklich liebt, sich selbst unterstützen muss um voran zu kommen. Dieses Buch hat sich unfassbar schnell einen Platz in meinem Herzen gesichert!

"Salinger war nicht kitschig. [...] Salinger war knallhart. Knallhart, witzig und sehr genau. Ich war Feuer und Flamme für ihn, und für alles, was er geschrieben hatte." S. 234


Unglaublich schön geschriebenes Buch über ein Jahr, welches vieles in Joanna Rakoffs Leben verändert hat. Verbildicht die Liebe zur Literatur eines Jeden, der sich damit beschäftigt und analysiert gekonnt einige Figuren und Passagen aus Salingers Werken.



3 Kommentare:

  1. Also ich finde, allein schon wegen den Bildern muss man deinen Blog einfach lesen! ♥
    Das Buch hört sich ja wirklich hochspannend an.
    Ich muss es auch unbedingt einmal lesen!

    Liebe Grüße,
    Elisa

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    1. Das ist so lieb von dir, danke! : )

      Liebe Grüße,
      Karin

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  2. Oh, das habe ich jetzt gar nicht erwartet, dass dieses Buch eigentlich eine Autobiografie ist. ;)
    Besonders das Zitat auf S. 15 kommt mir sehr bekannt vor. Manche Autoren erhebe ich ja auch in einen Götterstatus. :D
    Von Salinger selbst habe ich leider noch nichts gelesen und wie es scheint, habe ich da was verpasst.

    Alles Liebe ♥

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